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Der Junge

Der Junge

Titel: Der Junge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. M. Coetzee
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man die?
      Wenn er sie nicht schreiben kann, hat er keine Möglichkeit, sie im Geist zu zähmen. Wird fok mit v geschrieben, wodurch es zu einem wirklich wilden Wort würde, urzeitlich, ohne Vorfahren? Das Wörterbuch verrät nichts, die Wörter gibt es dort nicht, keins davon.
      Dann gibt es gat und poep-hol und solche Wörter, die bei Schimpfkanonaden hin- und herfliegen und deren Bedeutung er nicht begreift. Warum sollte das Hinterteil mit dem Vorderteil verkuppelt werden? Was haben die gat- Wörter, so schwer und guttural und schwarz, mit Sex zu tun, mit seinem sanft einladenden s und dem geheimnisvollen End-x? Er verschließt sich mit Abscheu vor den Hinterteil-Wörtern, versucht aber weiter, die Bedeutung von Fickwörtern und Parisern herauszufinden, Dinge, die er nie gesehen hat, die aber irgendwie zum Umgang von Jungen und Mädchen auf der Oberschule gehören.
      Aber er ist nicht ahnungslos. Er weiß, wie Babys geboren werden. Sie kommen aus dem Hintern der Mutter, hübsch und sauber und weiß. Das hat ihm seine Mutter vor Jahren erzählt, als er klein war. Er glaubt ihr unbesehen; es macht ihn stolz, daß sie ihm so früh die Wahrheit über Babys erzählt hat, als andere Kinder noch mit Lügen abgespeist wurden. Es ist ein Zeichen ihrer Aufgeklärtheit, der Aufgeklärtheit ihrer Familie.
      Sein Cousin Juan, ein Jahr jünger als er, weiß ebenfalls Bescheid. Sein Vater andererseits wird unwillig und brummt, wenn sich das Gespräch den Babys zuwendet und wo sie herkommen; aber das ist wieder einmal ein Beweis für die Rückständigkeit der Familie seines Vaters.
      Seine Freunde beharren auf einer anderen Geschichte: daß Babys aus dem anderen Loch kommen.
      Abstrakt weiß er von einem anderen Loch, in das der Penis gesteckt wird und aus dem der Urin kommt. Doch es macht keinen Sinn, daß das Baby aus diesem Loch kommt. Schließlich wird das Baby im Magen gebildet. Es macht also Sinn, daß das Baby aus dem Hintern kommt. Deshalb streitet er für den Hintern, während seine Freunde für das andere Loch, die poes, streiten. Er ist im stillen überzeugt davon, daß er recht hat. Es gehört zu dem Vertrauensverhältnis zwischen der Mutter und ihm.

Acht
    Er geht mit seiner Mutter über ein Stück Gemeindeland beim Bahnhof. Er ist bei ihr und doch für sich, er hält nicht ihre Hand. Wie immer ist er grau gekleidet: grauer Pullover, graue Shorts, graue Strümpfe. Auf dem Kopf hat er eine marineblaue Mütze mit dem Abzeichen der Knaben-Grundschule von Worcester: ein Berggipfel im Sternenkreis und die Unterschrift PER ASPERA AD ASTRA.
      Er ist bloß ein Junge, der neben seiner Mutter hergeht – von außen gesehen wirkt er vielleicht ganz normal. Aber in seiner Vorstellung krabbelt er wie ein Käfer um sie herum, er krabbelt in aufgeregten Kreisen, die Nase hat er auf dem Boden, die Arme und Beine bewegen sich schnell auf und nieder. Ihm fällt wirklich nichts ein, was an ihm ruhig ist.
      Besonders seine Gedanken flitzen die ganze Zeit hierhin und dahin, mit einem ungeduldigen eigenen Willen.
      Hier auf diesem Platz schlägt der Zirkus einmal im Jahr sein Zelt auf und stellt Käfige ab, in denen Löwen in ihrem stinkenden Stroh dösen. Doch heute ist hier nur ein roter Lehmplatz mit felshartem Boden, auf dem kein Gras wächst.
      Es sind noch andere Leute unterwegs an diesem hellen, heißen Samstagmorgen. Darunter ein Junge seines Alters, der ihnen schräg über den Platz entgegenkommt. Und als er ihn erblickt, weiß er sofort, daß dieser Junge wichtig für ihn wird, maßlos wichtig, nicht um seiner selbst willen (vielleicht wird er ihn nie wiedersehen), sondern wegen der Gedanken, die ihm durch den Kopf gehen, die wie ein Bienenschwarm aus ihm hervorbrechen.
      An dem Jungen ist nichts Ungewöhnliches. Er ist farbig, aber Farbige sind überall. Er trägt Hosen, so kurz, daß sie über seinem hübschen Po spannen und seine schlanken, lehmbraunen Schenkel fast nackt lassen. Schuhe hat er nicht; seine Fußsohlen sind wahrscheinlich so hart, daß er, selbst wenn er in einen duwweltjie-Dom träte, nur kurz innehalten, hinunterlangen und ihn fortwischen würde.
      Es gibt Hunderte von Jungen wie er, Tausende, auch Tausende von Mädchen in kurzen Röcken, die ihre schlanken Beine sehen lassen. Er hätte gern auch so schöne Beine. Mit solchen Beinen würde er über die Erde hinschweben wie dieser Junge, sie kaum berührend.
      Der Junge geht in geringer Entfernung an ihnen vorbei. Er ist mit sich

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