Der Junge
ob er ihnen keinen Widerstand entgegensetzen und sich um ihre Anerkennung bemühen soll, oder ob er eine Barriere der Förmlichkeit aufrechterhalten soll. Frauen sind einfacher, weil sie freundlicher sind. Aber Mr. Gouws – das kann er nicht leugnen – ist so fair, wie nur denkbar. Sein Englisch ist gut, und er scheint keinen Groll gegen die Engländer oder gegen Jungen aus Afrikaans-Familien, die lieber englisch sein wollen, zu hegen. Während einer seiner vielen Fehlzeiten hat Mr. Gouws die Grammatik der Prädikatsergänzungen durchgenommen. Er hat Mühe, den Lehrstoff der Prädikatsergänzungen aufzuholen. Wenn die Prädikatsergänzungen wie die Redewendungen nicht sinnvoll wären, dann würden die anderen auch Probleme mit ihnen haben. Doch die anderen, oder die meisten von ihnen, scheinen die Prädikatsergänzungen mühelos zu beherrschen. Man kann nicht umhin festzustellen: Mr. Gouws weiß etwas über die englische Grammatik, was er nicht weiß.
Mr. Gouws macht genauso häufig Gebrauch vom Rohrstock wie jeder andere Lehrer. Aber seine bevorzugte Bestrafung, wenn die Klasse zu lange zu laut gewesen ist, besteht im Befehl, die Stifte hinzulegen, die Bücher zu schließen, die Hände hinterm Kopf zu verschränken, die Augen zu schließen und absolut still dazusitzen.
Außer den Schritten des die Reihen auf- und abschreitenden Mr. Gouws herrscht vollkommene Stille im Raum. Von den Eukalyptusbäumen um den Schulhof dringt das friedliche Gurren der Tauben. Das ist eine Strafe, die er ewig mit Gleichmut ertragen könnte: die Tauben, das leise Atmen der Jungen um ihn herum.
Die Disa Road, wo Mr. Gouws wohnt, ist auch in Reunion Park, in dem neuen, nördlichen Zipfel der Siedlung, den er nie erkundet hat. Nicht genug, daß Mr. Gouws in Reunion Park wohnt und auf einem Rad mit breiten Reifen zur Schule fährt – er ist verheiratet mit einer einfachen, dunklen Frau, und was noch erstaunlicher ist, er hat zwei kleine Kinder. Das entdeckt er im Wohnzimmer der Disa Road 11, wo Teekuchen und eine Kanne Tee auf dem Tisch stehen und wo er, wie befürchtet, mit Mr. Gouws allein gelassen wird und eine verzweifelte, gekünstelte Unterhaltung führen muß.
Es kommt noch schlimmer. Mr. Gouws – der statt Schlips und Jackett jetzt Shorts und Khakisocken trägt – versucht ihm gegenüber so zu tun, als ob sie beide jetzt, wo das Schuljahr vorbei ist und er Worcester bald verlassen wird, Freunde sein können. Er versucht ihm allen Ernstes einzureden, daß sie das ganze Jahr über schon Freunde gewesen sind – der Lehrer und der klügste Junge, der Klassenerste.
Er wird nervös und steif. Mr. Gouws bietet ihm einen zweiten Teekuchen an, den er ablehnt. »Na los!« sagt Mr. Gouws und lächelt und legt ihn trotzdem auf seinen Teller. Er möchte weg.
Er hatte aus Worcester weggehen wollen, wenn alles seine Ordnung hatte. Er war bereit gewesen, Mr. Gouws in seiner Erinnerung einen Platz neben Mrs. Sanderson einzuräumen – nicht ganz auf einer Stufe mit ihr, aber ganz nah. Und nun verdirbt es Mr. Gouws. Würde er es nur nicht tun.
Der zweite Teekuchen liegt ungegessen auf dem Teller. Er will nicht mehr heucheln – er wird stumm und stur. »Mußt du jetzt gehen?« fragt Mr. Gouws. Er nickt. Mr. Gouws steht auf und bringt ihn bis zur Gartentür, die eine Kopie der Tür in der Pappelallee 12 ist und genauso schrill kreischt.
Wenigstens ist Mr. Gouws vernünftig genug, ihn nicht zum Händeschütteln oder zu etwas anderem Dummen zu animieren.
Die Entscheidung, aus Worcester wegzuziehen, hat mit Standard Canners zu tun. Sein Vater hat entschieden, daß seine Zukunft nicht bei Standard Canners liegt, mit denen es abwärts geht, wenn man ihm glauben will. Er wird sich wieder der Anwaltstätigkeit zuwenden.
Es gibt eine Abschiedsparty im Büro, von der er mit einer neuen Uhr zurückkommt. Kurz darauf macht er sich auf nach Kapstadt, allein, und läßt die Mutter zur Überwachung des Umzuges zurück. Sie heuert eine Firma namens Retief an und handelt aus, daß für fünfzehn Pfund nicht nur der ganze Hausrat, sondern auch sie – im Fahrerhaus – befördert werden.
Retiefs Männer beladen den Möbelwagen, die Mutter und der Bruder klettern ins Fahrerhaus. Er macht zum Abschied eine letzte Runde durch das leere Haus. Hinter der Haustür ist der Schirmständer, in dem normalerweise zwei Golfschläger und ein Spazierstock stehen, leer. »Die haben den Schirmständer vergessen!« schreit er. »Komm!«
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