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Der Junge

Der Junge

Titel: Der Junge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. M. Coetzee
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ruft die Mutter. »Laß den alten Schirmständer!«
      »Nein!« schreit er zurück und will nicht weichen, bis die Männer den Schirmständer geholt haben. » Dis net ‘n ou stuk pyp «, brummelt Retief – Es ist bloß ein altes Stück Rohr.
      So erfährt er, daß das, was er für einen Schirmständer gehalten hat, nur ein Stück Abflußrohr aus Beton ist, das die Mutter angeschleppt und grün gestrichen hat. Das also nehmen sie mit nach Kapstadt, zusammen mit dem Kissen voller Hundehaare, auf dem Cossack immer geschlafen hat, und der Rolle Maschendraht vom Hühnerauslauf und der Maschine, die Kricketbälle verschießt und dem Holzstock mit dem Morsecode. Wie sich Retiefs Möbelwagen zum Bain’s Kloof Paß hinaufmüht, gleicht er Noahs Arche, weil er die Siebensachen ihres alten Lebens rettet.
     
    In Reunion Park haben sie zwölf Pfund monatlich für ihr Haus bezahlt. Das Haus, das sein Vater in Plumstead gemietet hat, kostet fünfundzwanzig Pfund. Es liegt am äußersten Rand von Plumstead und blickt auf eine weite Sandfläche mit Akaziengebüsch, wo die Polizei nur eine Woche nach ihrer Ankunft ein totes Baby in einem Packpapierpäckchen findet.
      Eine halbe Stunde zu Fuß in die andere Richtung befindet sich der Bahnhof von Plumstead. Das Haus selbst ist wie alle Häuser in der Evremonde Road ein Neubau, mit Panoramafenstern und Parkettfußböden. Die Türen sind verzogen, die Schlösser schließen nicht, im Hinterhof ist ein Schutthaufen.
      Nebenan wohnt ein Ehepaar, das frisch aus England gekommen ist. Der Mann wäscht immerzu sein Auto; die Frau, mit roten Shorts und Sonnenbrille, verbringt ihre Tage im Liegestuhl und bräunt sich die langen weißen Beine.
      Die dringendste Aufgabe ist jetzt, Schulen für ihn und seinen Bruder zu finden. Kapstadt ist nicht wie Worcester, wo alle Jungen in die Knabenschule und alle Mädchen in die Mädchenschule gingen. In Kapstadt kann man zwischen verschiedenen Schulen wählen. Aber um in eine gute Schule aufgenommen zu werden, braucht man Beziehungen, und sie haben nur wenige Beziehungen.
      Durch den Einfluß von Lance, des Bruders der Mutter, bekommen sie einen Termin im Rondebosch-Knabengymnasium. Anständig bekleidet mit Shorts, Hemd und Schlips und marineblauem Blazer, der das Emblem der Knabenschule von Worcester auf der Brusttasche hat, sitzt er mit der Mutter auf einer Bank vor dem Büro des Direktors. Als sie an der Reihe sind, werden sie in ein holzgetäfeltes Zimmer voller Fotos von Rugby- und Cricketmannschaften gebeten.
      Die Fragen des Direktors sind alle an die Mutter gerichtet: wo sie wohnen, was der Vater macht. Dann kommt der Augenblick, auf den er gewartet hat. Aus ihrer Handtasche holt sie das Zeugnis, das belegt, daß er der Klassenerste war, und das ihm deshalb alle Türen öffnen sollte.
      Der Direktor setzt seine Lesebrille auf. »Du warst also der Klassenerste«, sagt er. »Gut, gut! Aber hier wird es dir nicht so leicht gemacht werden.«
      Er hatte gehofft, daß man ihn prüfen würde, ihn nach der Jahreszahl der Schlacht am Blood River fragen würde, oder, noch besser, ihm einige Kopfrechenaufgaben stellen würde.
      Aber das ist schon alles, das Gespräch ist vorbei. »Ich kann nichts versprechen«, sagt der Direktor. »Wir setzen seinen Namen auf die Warteliste, und dann müssen wir hoffen, daß jemand zurücktritt.«
      Sein Name wird in drei Schulen auf die Warteliste gesetzt, erfolglos. Der Klassenerste in Worcester zu sein, ist offensichtlich nicht gut genug für Kapstadt.
      Die letzte Zuflucht ist die Katholische St.-Joseph-Schule. St. Joseph hat keine Warteliste – sie nehmen jeden, der ihre Gebühren zu zahlen bereit ist, die für Nichtkatholiken zwölf Pfund im Vierteljahr betragen.
      Was ihnen, ihm und seiner Mutter, nachdrücklich klargemacht wird, ist, daß in Kapstadt verschiedene Klassen von Menschen verschiedene Schulen besuchen. Die St.-Joseph-Schule ist zuständig für, wenn nicht die unterste, so doch die zweitunterste Klasse. Daß sie es nicht geschafft hat, den Sohn in eine bessere Schule hineinzubringen, verbittert die Mutter, regt ihn jedoch nicht auf. Er ist sich nicht sicher, welcher Klasse sie angehören, wo sie hingehören. Im Moment reicht es ihm, einfach über die Runden zu kommen. Die Gefahr, in eine Afrikaanerschule geschickt und gezwungen zu werden, wie ein Afrikaaner zu leben, hat abgenommen – nur das zählt. Er kann sich entspannen. Er muß sich nicht einmal weiter als Katholiken

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