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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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viel sagen, klarzumachen. Auf einer halben Seite soll ich das Wesentliche aus achtzehn Monaten berichten.
    Der Fehler, um es geradeheraus zu sagen, lag ganz bei Mrs. Henry. Sie hielt es für ein Verdienst, ihre Einwilligung zur Ehe gegeben zu haben und sah sie wie ein Märtyrertum an, worin der alte Lord sie bestärkte, mit oder ohne Wissen. Auch ihre Treue gegenüber dem Toten hielt sie für ein Verdienst, obgleich diese Treue einem zarteren Gewissen eher als Untreue gegenüber dem Lebenden erschienen wäre, aber auch hier fand sie Unterstützung bei dem Lord. Ich glaube, er war glücklich, über seinen Verlust sprechen zu können, und schämte sich vor Mr. Henry, dabei zu verweilen. Ohne Zweifel veranlaßte er zumindest eine Art Gruppenbildung in dieser Familie von drei Köpfen, und ausgeschlossen wurde dabei der Ehemann. Es scheint eine alteSitte gewesen zu sein, daß der Lord seinen Wein beim Kamin einnahm, wenn die Familie allein in Durrisdeer war, und anstatt sich zurückzuziehen, pflegte Mrs. Allison einen Stuhl heranzuziehen und sich mit ihm allein zu unterhalten. Auch als sie die Frau meines Herrn geworden war, wurde diese Gepflogenheit beibehalten. Die innige Vertrautheit des alten Herrn mit seiner Tochter wäre an sich sehr schön gewesen, aber ich war ein zu überzeugter Parteigänger Mr. Henrys, um nicht über seinen Ausschluß erbost zu sein. Häufig genug sah ich, wie er offensichtlich einen Entschluß faßte, den Tisch verließ und zu seiner Frau und Lord Durrisdeer ging, die ihn ihrerseits stets herzlich willkommen hießen, sich ihm wie einem aufdringlichen Kind zuwandten und ihn mit so schlecht verborgenem Eifer ins Gespräch zogen, daß er bald wieder bei mir am Tisch war, wo man nur das leise Gemurmel der Stimmen am Kamin hören konnte – so groß ist die Halle von Durrisdeer. Dort pflegte er nun zu sitzen und die anderen zu beobachten, und ich mit ihm. Manchmal, wenn das Haupt des alten Herrn sorgenvoll nickte, wenn seine Hand den Scheitel Mrs. Henrys berührte oder die ihre wie zum Trost seine Knie streichelte; und wenn sie tränennasse Blicke wechselten, zogen wir die Schlußfolgerung, daß das Gespräch wieder einmal den alten Gegenstand streifte und der Schatten des Toten in der Halle war.
    Es gibt Stunden, in denen ich Mr. Henry den Vorwurf mache, daß er alles zu geduldig ertrug, aber man muß sich erinnern, daß er aus Mitleid geheiratet wurde, und daß er sein Weib unter solchen Bedingungenhinnahm. Er fand in der Tat auch wenig Ermutigung, Widerstand zu leisten. Einst bemerkte er, er habe einen Mann ausfindig gemacht, der in der Lage sei, das bunte Fenster auszubessern, eine Angelegenheit, die ohne Zweifel zu seinen Obliegenheiten gehörte, da er alle geschäftlichen Angelegenheiten erledigte. Aber für des Junkers Freunde war das Glas wie eine Reliquie, und beim ersten Wort über eine Ausbesserung stieg Mrs. Henry das Blut ins Gesicht.
    »Ich bin erstaunt über dich!« rief sie aus.
    »Ich bin erstaunt über mich selbst!« sagte Mr. Henry mit größerer Bitterkeit, als ich sie jemals bei ihm bemerkt hatte.
    Nun mischte sich der alte Lord mit weicher Rede ins Gespräch, so daß vor Abschluß der Mahlzeit alles vergessen schien, aber als sich das Paar nach dem Essen wie gewöhnlich zum Kamin zurückgezogen hatte, sahen wir, wie Mrs. Henry ihren Kopf weinend auf seine Knie legte. Mr. Henry setzte sein Gespräch mit mir über irgendeine Wirtschaftsangelegenheit fort. Er konnte kaum über andere Dinge sprechen als geschäftliche und war nie ein guter Gesellschafter, aber an diesem Tage hielt er hartnäckig aus, während sein Blick immer wieder zum Kamin wanderte und seine Stimme eine andere Tonlage annahm, ohne daß er seinen Vortrag abbrach. Die Scheibe jedoch wurde nicht ersetzt, und ich glaube, er betrachtete das als schwere Niederlage.
    Ob er nun energisch genug war oder nicht – gütig genug war er, weiß Gott. Mrs. Henry bekundete ihm gegenüber eine Art der Herablassung, die bei einemWeibe meine Eitelkeit aufs höchste verletzt hätte, er aber sah alles wie eine Gunstbezeugung an. Sie hielt ihn immer in einer gewissen Entfernung, vergaß ihn, erinnerte sich dann plötzlich seiner und wandte sich ihm zu, wie man es bei Kindern zu tun pflegt. Sie überhäufte ihn mit kühler Liebenswürdigkeit und tadelte ihn, indem sie die Farbe wechselte, mit zusammengebissenen Lippen wie jemand, der unter einer Schande leidet, jagte ihn umher mit einem Blick ihrer Augen, wenn sie sich nicht

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