Der Junker von Ballantrae
wieder zu unseren Abrechnungen zurückkehren.«
Erst kurze Zeit vorher hatte ich Wind bekommen von den Dingen, die ihn so schwer bedrückten. Tatsächlich konnte ein Blinder sehen, daß ein Schatten über dem Hause lag, der Schatten des Junkers von Ballantrae. Tot oder lebendig (und man glaubte damals, er sei tot) war dieser Mann der Rivale seines Bruders: sein Rivale draußen, wo kein gutes Wort über Mr. Henry gesprochen wurde und man nichts hörte als Mitleid mit dem Junker und Loblieder auf ihn; und sein Rivale zu Hause, nicht nur beim Vater und bei seiner Frau, sondern sogar bei den Dienstboten.
Zwei alte Bedienstete waren die Anstifter: John Paul, ein kleiner, glatzköpfiger, feierlicher und dickbäuchiger Mensch, der immer von Frömmigkeit redete und alles in allem ein ganz zuverlässiger Diener war. Er war der Führer unter den Anhängern des Junkers. Niemand durfte sich so weit vorwagen wie John. Es machte ihm Vergnügen, Mr. Henry öffentlich verächtlich zu machen, wobei er oft üble Vergleiche brauchte. Der alte Lord und Mrs. Henry tadelten ihn zwar, aber nie so scharf, wie sie gemußt hätten, und er brauchte nur sein tränenüberströmtes Gesicht zu erheben und seine Klagenüber den Junker – »seinen Jungen«, wie er ihn nannte – auszustoßen, um alle zu versöhnen. Was Mr. Henry betrifft, so ließ er alles stillschweigend hingehen, indem er manchmal traurig und manchmal auch böse dreinblickte. Er wußte, daß er mit einem Toten nicht in Wettbewerb treten konnte, und einen alten Diener wegen übergroßer Anhänglichkeit zu tadeln war ihm unmöglich. Dafür fehlte ihm jede Ausdrucksmöglichkeit.
Macconochie war der Anführer der anderen Partei, ein alter, übelbeleumdeter, fluchender, zänkischer und trunksüchtiger Hund. Ich habe oft darüber nachgedacht, wie sonderbar die menschliche Natur ist, und warum diese beiden Diener zu Lobrednern von Männern wurden, die das gerade Gegenteil von ihnen selbst darstellten. Sie schwärzten ihre eigenen Fehler an und machten sich lustig über ihre eigenen Tugenden, soweit sie sie bei ihren Herren sahen. Macconochie hatte alsbald meine stille Zuneigung ausgekundschaftet, zog mich ins Vertrauen und schimpfte stundenlang über den Junker, so daß selbst meine Arbeit darunter litt.
»Sie sind alle verrückt hier«, pflegte er auszurufen, »und der Teufel soll sie holen! Der Herr Junker – wer ihn so nennt, soll verrecken! Mr. Henry ist jetzt unser Herr! Sie waren alle nicht begeistert für den Junker, als er sie noch in seinen Klauen hatte, das kann ich Ihnen sagen! Verflucht sei sein Name! Niemals habe ich ein gutes Wort von seinen Lippen gehört noch sonst jemand, immer nur Schimpfen und Poltern und freches Fluchen – der Teufel hole ihn! Seine Bosheit war ohnegleichen, und das soll ein Gentleman gewesen sein!Haben Sie von Wully White dem Weber gehört, Mr. Mackellar? Nein? Nun, Wully war ein eigenartiger Heiliger, ein trockener Kerl, keiner von meiner Sorte, ich konnte ihn nicht ansehen. Aber er war in seiner Art sehr tüchtig, und eines Tages machte er dem Junker Vorwürfe wegen seiner Missetaten. Gewiß eine edle Angelegenheit für den Junker von Ballantrae, sich mit einem Weber herumzuschlagen, nicht wahr?«
Macconochie lächelte spöttisch und sprach den vollen Namen des Junkers nie aus, ohne seinen Haß fühlen zu lassen.
»Aber so war's, eine feine Sache: er polterte vor der Tür des Mannes, erschreckte ihn durch Schreie und warf Schießpulver auf seinen Herd und Feuerwerk durch sein Fenster, bis der alte Mann glaubte, der Teufel wolle ihn holen. Um die Sache kurz zu machen: Wully wurde verrückt. Schließlich konnten sie ihn nicht mehr von den Knien bringen, er jammerte und betete und trieb es so fort, bis er erlöst wurde. Es war glatter Mord, das sagte jeder. Fragt nur John Paul, er war tief beschämt über dies Spiel, denn er ist ja ein so frommer Christ! Eine große Tat für den Junker von Ballantrae!«
Ich fragte ihn, wie der Junker selbst darüber gedacht habe. »Wie soll ich das wissen?« antwortete er. »Er hat nie darüber gesprochen.«
Und dann begann er wieder zu schimpfen und fluchen und ab und zu ein »Junker von Ballantrae« näselnd herauszustoßen. In einer solchen vertraulichen Stunde zeigte er mir auch den Brief von Carlisle, auf dem noch der Huftritt des Pferdes zu sehen war.Das war unsere letzte geheime Unterredung, denn er sprach sich damals so mißliebig über Mrs. Henry aus, daß ich ihn scharf zurechtwies und von Stund
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