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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Junker von Ballantrae alle Welt in Erstaunen versetzt hatte, als er sich dieser Partei anschloß. Im selben Augenblick überfiel meine Seele eine heftige Vorahnung der Wahrheit.
    »Wenn Sie hier eintreten wollen«, sagte ich und öffnete eine Zimmertür, »will ich meinen Lord unterrichten.«
    »Das ist sehr liebenswürdig von Ihnen, Herr Soundso«, antwortete der Oberst.
    Ich ging schleppenden Fußes zur Halle. Dort waren sie alle drei, der alte Lord hockte auf seinem Platz, Mrs. Henry saß arbeitend am Fenster, und Mr. Henry ging am anderen Ende der Halle auf und ab, wie es seine Gewohnheit war. In der Mitte stand der Tisch, das Abendessen war gedeckt. Ich erzählte kurz, was ich zu sagen hatte. Der alte Lord lehnte sich in den Sessel zurück, Mrs. Henry sprang in unwillkürlicher Bewegung auf, und sie und ihr Gemahl starrten einander in die Augen über den Raum hinweg. Es war ein höchst sonderbarer, herausfordernder Blick, den die beiden wechselten, und während sie sich anschauten, verloren ihre Gesichter die Farbe. Dann wandte sich Mr. Henry mir zu, nicht, um zu sprechen, sondern um mir ein Zeichenmit dem Finger zu geben, aber das genügte, und ich ging wieder zu dem Oberst hinunter.
    Als wir zurückkehrten, waren die drei fast in der gleichen Stellung, wie ich sie verließ. Ich glaube, sie hatten kein Wort gewechselt.
    »Lord Durrisdeer, nicht wahr?« sagte der Oberst. Er verbeugte sich, und der Lord tat das gleiche. »Und hier«, fuhr der Oberst fort, »sicher der Erbe von Ballantrae.«
    »Ich habe mich nie so genannt«, sagte Mr. Henry, »ich bin Henry Durie, ich stehe zu Ihren Diensten.«
    Dann wandte sich der Oberst an Mrs. Henry, verbeugte sich mit dem Hut auf dem Herzen und mit einer bezaubernden Liebenswürdigkeit. »Es ist kein Irrtum möglich über eine so vornehme Dame«, sagte er, »ich spreche zu der entzückenden Miß Alison, von der ich so oft gehört habe?«
    Wieder wechselten Mann und Weib einen Blick.
    »Ich bin Mrs. Henry Durie«, sagte sie, »aber vor meiner Ehe war mein Name Alison Graeme.«
    Dann begann der Lord zu reden. »Ich bin ein alter Mann, Oberst Burke«, sagte er, »und gebrechlich. Es wäre gnädig von Ihnen, wenn Sie rasch sprechen wollten. Bringen Sie mir Nachrichten von ...« Er zögerte, und dann brachen die Worte aus ihm heraus in einem sonderbaren Wechsel des Tones: »... von meinem Sohn?«
    »Mein verehrter Lord, ich will offen mit Ihnen sein wie ein Soldat«, antwortete der Oberst. »So ist es.«
    Der Lord streckte zitternd die Hand aus. Es schien, als wolle er ein Zeichen geben, aber ob er um Fristbat oder ihn aufforderte weiterzusprechen, konnten wir nicht erraten. Schließlich stieß er das eine Wort hervor: »Gute?«
    »Gewiß, die besten Nachrichten der Welt!« rief der Oberst. »Denn mein lieber Freund und verehrter Kamerad befindet sich zur Stunde in der schönen Stadt Paris und sitzt, wenn ich seine Gewohnheiten richtig kenne, augenblicklich im Sessel, um zu speisen. Hallo, ich glaube, die Lady wird ohnmächtig!«
    Mrs. Henry war in der Tat leichenblaß und sank gegen den Fensterrahmen, aber als Mr. Henry eine Bewegung machte, als wolle er zu ihr eilen, richtete sie sich zitternd auf. »Ich fühle mich wohl«, sagte sie mit weißen Lippen.
    Mr. Henry hielt sich zurück, und sein Gesicht sah stark verärgert aus. Gleich darauf wandte er sich an den Oberst. »Machen Sie sich keine Vorwürfe«, sagte er, »wegen dieser Wirkung Ihrer Worte auf meine Frau. Es ist ganz natürlich, wir wurden alle geschwisterlich erzogen.«
    Mrs. Henry blickte mit einer Art Erleichterung oder sogar Dankbarkeit auf ihren Gatten. Nach meiner Ansicht war das der erste Auftakt ihrer Zuneigung zu ihm.
    »Versuchen Sie mir zu verzeihen, Mrs. Durie, ich bin wirklich ein ungeschliffener Irländer«, sagte der Oberst, »und ich verdiente erschossen zu werden, weil ich einer Dame die Nachricht nicht zarter überbracht habe. Aber hier sind die eigenhändigen Briefe des Junkers, je einer für jeden von Ihnen, und ich bin überzeugt, wenn ich überhaupt etwas von der feinen Art meinesFreundes weiß, er wird Ihnen seine eigene Geschichte in angenehmerer Weise erzählen.«
    Er nahm die drei Briefe, ordnete sie nach ihren Anschriften, reichte den ersten meinem Lord, der ihn gierig in Empfang nahm, und schritt auf Mrs. Henry zu, indem er den zweiten hinhielt.
    Aber die Lady lehnte ihn ab. »Meinem Gemahl, bitte«, sagte sie mit zitternder Stimme.
    Der Oberst war ein heller Kopf, aber diesmal war er doch

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