Der Kaefig - Roman
fuhr sich mit dem Finger über die Kehle.
»Haben sie schon Leute umgebracht?«
»Niemand weiß, wo du dann hinkommst.«
»Ihr redet darüber, als wäre das ganz normal. Als wäre die ganze Welt so.« Ed konnte nicht fassen, dass die beiden sich in ihre Lage fügten. »Erinnert euch, wer ihr seid. Ihr seid von Irren entführt und in Käfige gesperrt worden, und jetzt werdet ihr gefoltert.«
»Man lernt sich anzupassen«, sagte Marco.
»Es bleibt einem nichts anderes übrig«, sagte die Frau.
»Wenn du nicht akzeptierst, dass das jetzt dein Leben ist, wirst du zusammenbrechen.«
Sie nickte. »Dann bist du schon so gut wie tot.«
»Großer Gott«, keuchte Ed. »Ich finde mich nicht damit ab. Auf keinen Fall.«
»Dann bist du erledigt, Kumpel.« Marco legte sich wieder auf seine Matratze. »Ich frage mich, wann es heute Frühstück gibt.«
»Bald«, sagte die Frau.
»Hoffentlich keine hartgekochten Eier. Davon kriege ich Verstopfung.«
Sie zuckte die Achseln. »Vielleicht gibt’s Schinkensandwichs. Die hatten wir länger nicht.«
»Hauptsache der Kaffee ist heiß. Die letzten Tage war er lauwarm. O Mann, wenn ich was hasse, ist es lauwarmer Kaffee.«
Unfassbar! Sie reden wie Leute, die in einem billigen Hotel wohnen. Als wäre das hier keine gottverfluchte Folterkammer. Ed wollte raus. Die Situation war absurd. Waren die beiden verrückt?
Oder, verdammt, vielleicht war er verrückt.
Man könnte es sich vorstellen.
Hatte man ihn vielleicht irgendwo in eine Psychiatrie gesteckt?
Der Schock, von Janey verlassen zu werden, war einfach zu viel.
Jetzt war er in einer Gummizelle, vollgepumpt mit Lithium, sabberte, kackte in die Windeln und heulte nach seiner Mutter. Nicht hier. Nicht im Menschenzoo. Wo anständigen Leuten fürchterliche Dinge widerfuhren. Wo in der Nacht unsichtbare Folterer kamen.
»Hallo … hal-lo.«
Er riss sich zusammen und sah zu der Frau hinüber.
Sie hielt ihre Hand durch die Gitterstäbe. Die Decke hatte sie hochgezogen, so dass ihre Brüste anständig bedeckt waren.
»Hallo«, wiederholte sie. »Jemand zu Hause?«
Sie lächelte und streckte die Finger aus. Ihre Hand berührte fast seinen Käfig. »Ich glaub, wir wurden noch nicht richtig vorgestellt. Ich heiße Virginia.« Ihre Augen blickten ernst. »Nicht lachen. Meine Eltern haben mir erzählt, dass ich da gezeugt wurde.«
Marco kicherte. »Sei froh, dass deine Mutter nicht in Nantucket gefickt wurde.«
Sie lachte spöttisch. »Vielen Dank, Marco Polo.«
»Ich heiße nicht Marco Polo, sondern Marco Paulo .«
»Wen interessiert das schon?« Sie blickte zu Ed. »Und? Wie soll ich dich nennen? Mister?«
Ed ergriff durch die Stäbe ihre Hand. Er spürte, wie sie seine Finger drückte. Sie schien damit ihre Zuneigung auszudrücken. Ein elektrisches Kribbeln durchfuhr ihn.
Wahnsinn, was für eine Art, sich die Hand zu geben. Was für eine seltsame Situation!
Aber es war schön, sie anzusehen.
Schön, sie zu berühren.
Er konnte nicht umhin, sich vorzustellen, wie er sie umarmte und das Gesicht in ihrem dichten kupferfarbenen Haar vergrub. Mein Gott, was ist nur los mit mir?
Diese Gedanken schossen ihm blitzartig durch den Kopf. »Ich bin Ed«, sagte er. Sie hielt immer noch seine Hand fest, deshalb fügte er lahm hinzu: »Ich geh auf die Riverside.«
»Was du nicht sagst.« Sie lächelte. »Da war ich auch. Ein paar Jahre vor dir allerdings.«
»Super«, sagte Marco. »Der perfekte Ort für ein Highschool-Treffen. In einem Käfig.«
Schließlich zog sie ihre Hand zurück.
Nicht, dachte er. Ich mag es, dich zu berühren.
Aber sie legte sich wieder mit der Decke über ihren Brüsten seitlich auf die Matratze. Ihre Schultern waren nackt. Die Haut war glatt, makellos. Und trotz der Verletzungen und der Anspannung, unter der sie stehen musste, sah sie gut aus. Sie schien innerlich zu glühen. In ihren Augen leuchtete eine erotische Kraft.
»Ich würde nicht versuchen, mich bei ihr einzuschmeicheln, Eddie.«
»Ich schmeichle mich nicht ein.« Ed ärgerte sich über Marcos Ton. Er klang eifersüchtig.
»Sieht aber von meiner Luxussuite hier ganz so aus.«
»Hör auf, Marco«, sagte Virginia. »Er ist nur nett.«
»Er ist nur dämlich.«
»Hey!«
»Wie ich schon sagte, Eddie.«
»Nenn mich nicht Eddie.«
»Wie ich schon sagte, Eddie , du solltest dir deine Kräfte aufsparen.«
»Jetzt fängst du schon wieder damit an. Warum soll ich meine Kräfte aufsparen?«
»Da wirst du schon rausfinden«, sagte er
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