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Der Kaefig - Roman

Der Kaefig - Roman

Titel: Der Kaefig - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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durch das Treppenhaus und blickte nach oben zum zweiten Stock. Das Licht reichte nicht besonders weit. Während er zu den dunklen oberen Stufen hinaufsah, ließ seine aufgeregte Anspannung nach.
    Und verwandelte sich in Angst.
    Er hob die Taschenlampe. Sein Daumen schwebte über dem Schalter. Aber er wagte nicht, den Knopf zu drücken und einen Strahl in die Dunkelheit über ihm zu senden.
    So hatte er sich nicht mehr gefühlt, seit er ein Kind gewesen war. Ein Junge, der steif vor Angst in seinem Bett
liegt und durch das Zimmer auf die dunkle Öffnung des Wandschranks starrt. Den klaffenden Schlund. Es ist nichts im Wandschrank. Nichts Gefährliches. Nichts, das einem Kind etwas antun könnte. Okay? Er könnte sich davon überzeugen, indem er das Licht anschaltete. Aber dazu müsste er aus dem Bett steigen. Und wenn er sich bewegte, würde ES herausspringen, ihn schnappen, ihn totbeißen.
    Er ließ die Taschenlampe sinken und wandte sich ab. Dann ging er zwei Schritte über den Treppenabsatz und wollte sicherheitshalber einen Blick zurück über die Schulter werfen, tat es aber doch nicht, weil es zu sehr wäre, als würde er noch einmal in den Wandschrank sehen.
    Er stieg langsam die Treppe hinab. Die Glühbirne über der Tür warf seinen riesigen Schatten auf die Wand vor ihm. Es machte ihn nervös, dort hinzusehen. Was, wenn plötzlich ein zweiter Schatten daneben auftauchte?
    Du spinnst doch, sagte er sich.
    Er war froh, als er auf dem nächsten Absatz die Richtung wechselte. Keine Schatten mehr. Das Licht aus dem Erdgeschoss kam ihm wie ein alter Freund vor.
    Er eilte hinab.
    Und du weißt ja, dass du auf Quinns Spuren wandelst, also stolpere bloß nicht über deine eigenen Füße, ja?
    Beckerman öffnete die Tür und blickte hinaus. Niemand zu sehen. Er überquerte den Absatz, achtete darauf, nicht die Treppe hinaufzublicken, und starrte stattdessen ins Untergeschoss.
    Jetzt warf er wieder einen Schatten. Er sah auf seine Füße, um ihn nicht anblicken zu müssen. Auf dem nächsten Absatz verschwand der Schatten. Aber dort unten
schien kein einladendes Licht. Da war nur feindselige Dunkelheit. Dieselbe feindselige Dunkelheit, die einst in seinem Wandschrank geherrscht hatte.
    Wo war das Licht? Warum leuchtete es nicht mehr? Die verdammte Birne musste durchgebrannt sein. Scheiße.
    Oder hatte es jemand ausgeschaltet?
    Er knipste seine Taschenlampe an. Ohne zu zögern. Sein Selbstbewusstsein kehrte langsam zurück.
    Aber das änderte sich wieder, als er auf halber Höhe der Treppe ein Geräusch hinter sich hörte. Ein kratzendes Geräusch, als würde ein abgestorbenes Blatt vom Wind über den Beton getrieben. Ein trockenes Geräusch.
    Beckerman wirbelte herum.
    Er starrte es an.
    Das Ding stand ein paar Stufen über ihm. Im hellen Licht der Taschenlampe sah er mehr, als ihm lieb war: Arme und Beine wie Stöcke, hervorstehende Gelenke, eine glänzende rote Haarmähne, ein hageres, augenloses Gesicht.
    Der Mund war weit aufgerissen.
    Beckerman schrie, als das Ding mit wehendem Haar auf ihn herabsprang.
     
    Gonzalez hörte den Schrei. Er rannte durch das Foyer und riss die Tür zum Notausgang auf.
    »Beckerman!«
    Von unten hörte er schwache Geräusche. Es klang, als tropfte Wasser auf Beton. Er eilte die Treppe hinab. Auf dem Absatz richtete er seine Lampe in die Dunkelheit. Etwas hockte über Beckerman, beugte sich mit zuckendem Kopf über seinen am Boden liegenden Körper wie ein Hund, der Fleisch aus einem Kadaver riss, aber
Gonzalez konnte es nicht genau erkennen, weil die im Licht der Taschenlampe rot leuchtende Mähne ihm den Blick versperrte.
    Es war kein Hund.
    Es hatte rotes Haar wie eine Frau.
    Es machte sich über Beckermans Hals her. Blut spritzte durch die Luft, regnete auf die Wände und den Boden. Überall purpurrote Flüsse von Blut.
    Mit erschreckender Geschwindigkeit richtete sich die Kreatur von dem blutigen Körper auf und drehte sich um. Der Lichtstrahl traf ihr Gesicht.
    Gonzalez erstarrte. Er pinkelte sich in die Hose. Warmer Urin lief an seinem Bein herab. Als er die Socken durchnässte und sich in den Stiefeln sammelte, trug dies dazu bei, Gonzalez in die Wirklichkeit zurückzuholen.
    »Stehenbleiben!«, rief er.
    Die Kreatur griff mit ausgestreckten Armen und aufgerissenem Mund an. Die Augenhöhlen waren schwarze Löcher, die in die Ewigkeit zu führen schienen.
    Diese Zähne.
    Diese gottverdammt weißen Zähne.
    Umgeben von dunklen, toten Lippen.
    Gonzalez reagierte. Er ließ die

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