Der Kaefig - Roman
machte. Vielleicht hatte er die Sachen als Souvenir mit nach Hause genommen.
»Macht dich das etwa an, Gonzalez?«, fragte Beckerman.
»Leck mich doch, Mann.« Der jüngere Wachmann schwang seinen Lichtstrahl auf eine andere Statue: ein nackter Mann ohne Arme.
»Guck dir das mal an. Die verdammten Griechen zeigen uns bei den Frauen nicht die Muschis, aber bei den Männern sieht man ständig die Schwänze. Findest du das gerecht? Hä, Gonzalez?«
Gonzalez antwortete nicht. Er leuchtete auf eine weitere Statue, dann auf noch eine.
Beckerman verstand plötzlich. »Mein Gott, Gonzalez, du schießt noch den Vogel ab.«
»Hey, Mann, in dem Job kann man nicht vorsichtig genug sein.«
»Vorsichtig, stimmt. Man muss echt vorsichtig sein, dass man sich nicht zu Tode langweilt. Du bist noch neu, du wirst schon sehen.«
Gonzalez überprüfte eine weitere Statue. »Wirklich sehr respektvoll von dir. Quinn ist hier letzte Nacht gestorben. «
»Das beweist, dass ich Recht habe. Der Mann ist an Langeweile gestorben. Ist auf der Treppe eingeschlafen. «
»Findest du das lustig, Beckerman?«
»Nicht so witzig, wie im Puff Dünnschiss zu haben, aber trotzdem nicht schlecht.«
»Ich finde das überhaupt nicht …«
»Heilige Scheiße!« Beckerman packte Gonzalez’ Arm. »Die da hat sich bewegt!«
»Was? Welche?«
Der helle Strahl sprang von Statue zu Statue.
»Da! Hast du gesehen?«
»Wo?«
»Aah! Sie greift an!«
Gonzalez riss seinen Arm los. Er stieß Beckerman zurück. »Findest du das witzig, Mann?«
»Ja, ich finde das witzig, Mann «, ahmte Beckerman ihn nach.
»Ich brech dir gleich die Nase.« Wieder schubste er Beckerman.
»Hey, hör auf. Verstehst du keinen Spaß?«
»Das ist kein Spaß.« Er hob seine Taschenlampe wie einen Knüppel. »Findest du das auch lustig?«
»Beruhig dich, Kumpel. Um Gottes willen. Willst du …«
Ein dumpfes Geräusch unterbrach ihn. »Was zum Teufel war das?«
Gonzalez rannte bereits zur Tür.
»Warte, verflucht nochmal!«, flüsterte Beckerman heiser. Er eilte in den Gang, wo Gonzalez reglos dastand und
mit dem Revolver in der Hand den schlecht beleuchteten Bereich vor ihm beobachtete.
»Sei nicht so übereifrig, mein Junge. Lass uns cool bleiben und die Sache ruhig angehen … und überleben. Wenn es Einbrecher sind, halten wir sie in Schach und rufen die Polizei. Bau keine Scheiße, ja?«
Gonzalez nickte.
»Okay, gehen wir nachsehen.«
Sie schritten leise über den Flur. Während sie sich dem Eingang zum Callahan-Raum näherten, sah Beckerman, dass die Absperrkordel lose herabhing. Er konnte sich daran erinnern, sie selbst eingehakt zu haben, nachdem er den Raum früher am Abend überprüft hatte. Er zeigte darauf. Gonzalez nickte.
Beckerman ging neben der Tür in die Hocke und blickte in den Raum. Niemand zu sehen. Aber der Deckel des Mumiensargs lag auf dem Boden.
Vorher hatte er nicht dort gelegen.
Er richtete sich wieder auf. »Ich bleibe hier«, flüsterte er. »Geh und ruf die Polizei.«
»Vergiss es, Mann. Wir können sie uns schnappen.«
»Tu, was ich gesagt hab, ja?«
»Su madre«, murmelte Gonzalez und stürmte in den Raum.
Beckerman zog seinen Revolver. Folgte ihm. Ihre Lichtstrahlen durchkreuzten den Raum. Seltsame Schatten huschten über die Wände, sprangen, krümmten sich; Phantomgestalten. Beckerman nahm seinen Finger vom Abzug, um nicht versehentlich auf sie zu schießen.
Dann flackerte die Deckenbeleuchtung auf und verjagte die Schatten. Beckerman sah in alle Ecken. Er entdeckte
niemanden. Gonzalez stand mit der Hand am Lichtschalter da und warf ihm ein nervöses Grinsen zu.
Sie gingen zum Sarg und blickten hinein. Er war leer.
»Oh, Scheiße«, stöhnte Beckerman.
»Hey, Mann, vielleicht haben sie sie weggebracht?«
»Sieht ganz so aus.«
»Ich meine die Leute vom Museum. Vielleicht haben sie die Mumien woanders hingebracht, verstehst du?«
»Du bist ein Optimist, Kleiner. Find dich damit ab, wir sind beklaut worden. Lass uns in die Gänge kommen. « Er rannte los, so schnell, wie sein Humpeln es erlaubte. »Du sicherst den Vordereingang, ich sehe hinten nach.«
Sie trennten sich. Beckerman lief den Flur entlang zu einer Feuertür am anderen Ende. Vorsichtig drückte er die Metalltür auf und versuchte, jedes Geräusch zu vermeiden. Einen Augenblick lang horchte er. Er hörte nichts. Dann trat er ins Treppenhaus und schloss die Tür hinter sich.
Eine trübe Glühbirne über der Tür war die einzige Lichtquelle. Er ging seitwärts
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