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Der Kaffeehaendler - Roman

Der Kaffeehaendler - Roman

Titel: Der Kaffeehaendler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Liss Almuth Carstens
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musste sie mit der seltsamen Begegnung fertig werden, und weder Kaffee noch Wein noch sonst etwas würde das echte Entsetzen, das sie verspürt hatte, weniger real machen. Sie fand Miguels Bemühungen, sie zu beschwindeln, sowohl reizend als auch höchst ärgerlich. »Ich weiß, dass es auf der Welt nicht zugeht wie im Theater, und dass Geizhälse den Geliebten ihrer Tochter nicht Piraten ausliefern.« Sie hielt inne. »Dennoch, Sie können sich darauf verlassen, dass ich Ihr Geheimnis bewahre.«
    Miguel lehnte sich zurück und schaute Hannah an, als sähe er sie zum ersten Mal. Er musterte ihr Gesicht, ihren Hals; seine Augen verweilten auf ihren Brüsten, die unter ihrem hochgeschlossenen Gewand verborgen waren. Männer dachten
oft, Frauen hätten keine Ahnung, was sie betrachteten, doch eine Frau wusste Bescheid, als hätte sein Blick einen Abdruck hinterlassen.
    Natürlich hatte er sie schon vorher angesehen. Sie hatte gemerkt, dass er ihr Gesicht und ihre Figur bewunderte, aber dieser Blick war irgendwie anders. Miguel und Männer wie er dachten selten über die Frauen nach, die sie verehrten und begehrten. Eine Frau war ein Objekt, etwas, das sie konsumierten wie Speisen oder auch wie ein Gemälde bewunderten. Jetzt sah Miguel mehr in ihr, und die Vorstellung erregte sie.
    »Ich vertraue und glaube Ihrem Schweigegelübde«, sagte er zu ihr, »deshalb werde ich Ihnen die Wahrheit erzählen. Der Mann, dem Sie begegnet sind, hat einen alten Groll auf mich wegen eines Unrechts, für das ich nichts konnte, und nun will er mich ruinieren. Er kennt die Bräuche unserer Gemeinde gut genug, um zu wissen, dass er das ebenso leicht mit Gerüchten wie mit Taten bewerkstelligen kann, deshalb dürfen Sie nicht von dem Vorfall sprechen.«
    Er hatte ihr die Wahrheit anvertraut, und sie hinterging ihn nach wie vor mit ihrem Schweigen. »Dann spreche ich nicht davon«, sagte sie, ihre Stimme kaum mehr als ein Wispern.
    »Senhora.« Miguel rutschte verlegen hin und her. »Ich bitte Sie darum, auch Ihrem Gatten gegenüber Stillschweigen zu bewahren. Ich weiß, dass derartige Schwüre oft eine Ausnahmegenehmigung für Eheleute einschließen, aber in diesem Fall ist es sehr wichtig, dass Ihr Mann nichts erfährt.«
    Hannah nippte an ihrem Kaffee. Auf seinem Grunde hatte sich ein schwarzer Mulch gebildet, und da sie nicht wusste, ob sie ihn mittrinken sollte und es ungehörig fand zu fragen, setzte sie die Schale wieder ab. »Ich weiß nun wirklich, was mein guter Ehemann hören sollte und was nicht. Ich werde ihm nichts verraten. Doch Sie müssen mir etwas versprechen.«
    Er zog eine Augenbraue hoch. »Selbstverständlich.«

    »Dass Sie wieder mit mir Kaffee trinken«, sagte sie, »bald.«
    »Es ist mir ein großes Vergnügen, mit Ihnen Kaffee zu trinken«, erwiderte er herzlich.
    Sie studierte sein Gesicht. Wäre ich ein Dienstmädchen oder eine Kellnerin in einer Schenke, würde er mich jetzt küssen. Aber ich bin seine Schwägerin. Er wird mich niemals küssen. Er hat zu viel Ehrgefühl. Es sei denn, dachte sie, ich küsse ihn zuerst. Doch das war undenkbar, und sie errötete ob ihrer Kühnheit.
    »Nun denn«, sagte sie mit einem Seufzer, »ich werde das Mädchen rufen, damit sie das Geschirr wegräumt, bevor mein Mann nach Hause kommt und sieht, dass wir miteinander verbotene Getränke zu uns genommen haben.«
    Ihre eigenen Worte erstaunten sie, aber sie wagte nicht, ihre Befangenheit zu zeigen. Stattdessen genoss sie den Ausdruck von Verwunderung auf Miguels Gesicht, ehe sie ihn von seinem Unbehagen erlöste, indem sie nach Annetje läutete.

17
    Miguel hatte den Eindruck, dass er heute viel gelernt hatte, über Frauen und über Hannah. Er hätte sich nie träumen lassen, welches Temperament in ihr lauerte. Er hatte das Schlimmste von ihr befürchtet: dass sie alles, was sie wusste, jeder Hausfrau in der Vlooyenburg erzählen würde. Eine alberne Frau würde mit dieser Klatschgeschichte losrennen wie ein Hund, der sich ein Stück Fleisch vom Küchentisch geschnappt hat. Jetzt dagegen war er sicher, dass er sich auf ihr Stillschweigen verlassen konnte. Er wusste nicht, warum er ihr den Kaffee zu trinken gegeben hatte, warum er ihr gebeichtet hatte, was er vor Daniel verbergen wollte. Es war ein Impuls gewesen, etwas mit ihr zu teilen, ein Geheimnis, damit sie das Band des Vertrauens zwischen ihnen spürte. Vielleicht war es rationale Überlegung gewesen, vielleicht auch nicht, jedenfalls hatte er dem Kitzel, ihr zu vertrauen,

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