Der Kaffeehaendler - Roman
Verbindlichkeiten des Monats gegeneinander aufgerechnet wurden und endlich Geld den Besitzer wechselte. Heute war es in Sachen Weinbrandterminkontrakte schief gelaufen, und Miguel hatte jetzt weniger als eine Woche, um die Dinge ins Lot zu bringen, sonst verschuldete er sich um weitere tausend Gulden.
Weitere tausend, zusätzlich zu den dreitausend. Früher hatte er in einem Jahr das Doppelte verdient, doch vor sechs Monaten war der Zuckermarkt zusammengebrochen und hatte Miguels Vermögen mit sich gerissen. Und dann – nun ja, ein Fehler nach dem anderen. Er wäre gern gewesen wie die
Holländer, für die ein Bankrott nicht als Schande gilt. Er versuchte sich einzureden, es mache nichts, es würde nur noch kurze Zeit dauern, bis er den Schaden behoben hatte, aber diese Geschichte zu glauben, erforderte immer größere Mühe. Wie lange noch, so fragte er sich, bis sein breites, jungenhaftes Gesicht einen verkniffenen Ausdruck annahm? Wie lange würde es dauern, bis seine Augen das eifrige Funkeln des Kaufmanns verloren und den verzweifelten, leeren Blick eines Spielers zeigten? Das würde ihm nicht passieren, schwor er sich. Er würde sich nicht in eine jener verlorenen Seelen verwandeln, die wie Gespenster die Börse heimsuchten, von einem Abrechnungstag zum nächsten lebten, sich abquälten und gerade genug Profit ergatterten, um ihre Konten noch einen Monat lang über Wasser zu halten, in der Hoffnung, dass sich alles zum Besseren wenden würde.
Jetzt, da unbekannte Finger nach seinem Arm griffen, drehte Miguel sich um und erblickte einen adrett gekleideten Holländer des mittleren Standes, kaum älter als zwanzig Jahre. Er war muskulös und breitschultrig, hatte blonde Haare und ein eher weich anmutendes Gesicht, wenn ihm auch sein schlaff herabhängender Schnauzbart einen Anstrich von Männlichkeit verlieh.
Hendrick. Den Nachnamen kannte niemand. Der Gefährte von Geertruid Damhuis.
»Hallo, Judenmann«, sagte er, Miguels Arm nach wie vor festhaltend. »Ich hoffe, alles läuft zu Ihrer Zufriedenheit heute Nachmittag.«
»Es läuft immer zu meiner Zufriedenheit«, antwortete er, während er sich den Hals verrenkte, um zu sehen, ob irgendein geschwätziger Unruhestifter hinter ihm lauerte. Der Ma’amad, Ältestenrat der portugiesischen Juden, verbot den Verkehr zwischen Juden und »unpassenden« Nichtjuden, und wenn diese Bestimmung auch sehr dehnbar war, konnte doch
niemand Hendrick in seinem gelben Wams und den roten Kniebundhosen fälschlich für passend halten.
»Madame Damhuis schickt mich, Sie zu holen«, sagte er.
Geertruid hatte dieses Spielchen schon früher gespielt. Sie wusste, dass Miguel es nicht riskieren konnte, auf einer so belebten Straße wie der Warmoesstraat mit einer Holländerin gesehen zu werden, schon gar nicht mit einer Holländerin, mit der er Geschäfte machte, also schickte sie stattdessen ihren ständigen Begleiter. Miguels Ruf war dadurch nicht weniger in Gefahr, doch auf diese Weise konnte sie ihn unter Druck setzen, ohne auch nur ihr Gesicht zu zeigen.
»Sagen Sie ihr, ich habe keine Zeit für eine so reizende Zerstreuung«, sagte er. »Nicht jetzt.«
»Natürlich haben Sie die.« Hendrick grinste breit. »Welcher Mann könnte Madame Damhuis etwas abschlagen?«
Miguel nicht. Jedenfalls nicht so leicht. Er hatte Schwierigkeiten, Geertruid oder sonst jemandem – einschließlich sich selbst – etwas abzuschlagen, das nach Amüsement klang. Er musste sich jeden Tag zwingen, die Rolle des vorsichtigen Mannes zu spielen, der gegen den Ruin ankämpft. Das war, wie er wusste, sein wahrer Fluch, der Fluch aller ehemaligen Conversos : In Portugal hatte er sich allzu sehr an die Falschheit gewöhnt. Er gab vor, ein Katholik zu sein und Juden zu verachten und die Inquisition zu respektieren. Er hatte sich nichts dabei gedacht, zu sein, wer er war, und die Welt zugleich glauben zu lassen, er sei ein anderer. Täuschung, sogar Selbsttäuschung, fiel ihm nur allzu leicht.
»Danken Sie Ihrer Herrin, aber drücken Sie ihr mein Bedauern aus.« Da der Abrechnungstag kurz bevorstand, an dem ihn neue Schulden belasten würden, musste er seine Ausgaben einschränken, zumindest für eine Weile. Außerdem war heute Morgen ein Brief eingetroffen, ein seltsam anonymes Schreiben, hingekritzelt auf ein abgerissenes Stück Papier. Ich
will mein Geld. Er war einer von rund einem halben Dutzend, die Miguel im letzten Monat erhalten hatte. Ich will mein Geld. Wartet, bis ihr an der Reihe seid,
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