Der Kaffeehaendler - Roman
würde ich Ihnen helfen. Aber Ihre unverschämte Art stört mich. Verschwinden Sie. Wenn ich Sie noch einmal hier sehe, prügle ich Sie windelweich.«
»Wissen Sie, warum ich so erbärmlich stinke?«, fragte Joachim, dessen Stimme laut und schrill wurde. Ohne eine Antwort abzuwarten, griff er in seine Tasche und holte einen grauen, glitschigen und – es dauerte einen Moment, bis Miguel sah, dass ihm seine Augen keinen Streich spielten – sich bewegenden Klumpen hervor. »Das ist verfaultes Hühnerfleisch. Ich habe es mir in die Tasche gesteckt, um bei Ihnen und Ihren Damen Mitleid zu erregen.« Er lachte und warf das Fleisch auf die Erde.
Miguel trat einen Schritt zurück.
»Sie würden staunen darüber, wie schnell ein armer Mann in Erfahrung bringt, wo es madiges Fleisch und saure Milch zu kaufen gibt. Leere Mägen müssen gefüllt werden, wenn meine reizende Frau auch keine Vorliebe für verdorbene Lebensmittel hat.« Joachim trat einen Schritt auf ihn zu. Er streckte die rechte Hand aus, an der immer noch Fleischreste klebten. »Schütteln wir uns die Hand auf unsere neue Freundschaft.«
»Verschwinden Sie.« Miguel wich nur ungern vor ihm zurück, doch er wollte den Mann nicht berühren.
»Ich gehe, wann ich es will. Wenn Sie mir nicht wie ein Mann von Ehre die Hand schütteln, fühle ich mich beleidigt. Und wenn ich beleidigt bin, tue ich vielleicht etwas, das Ihnen auf ewig schadet.«
Miguel biss die Zähne zusammen, bis sie anfingen zu schmerzen. Er fragte sich, wann Joachim sich in seinem Wahnsinn wohl dazu entschließen würde, dem Ma’amad seine Geschichte vorzutragen. Aber dem Narren Geld zu geben, würde nichts nützen. Er würde es vertrinken und dann mehr verlangen.
Miguels einzige Möglichkeit war, ihm nichts zu geben und auf das Beste zu hoffen.
»Gehen Sie jetzt«, sagte er ruhig, »ehe mein Zorn mit mir durchgeht.«
Er drehte sich um, weil er keine Lust hatte, eine Erwiderung zu hören, doch Joachims Abschiedsworte hallten noch auf dem Heimweg in seinen Ohren wider. »Ich habe eben erst begonnen, den meinen zu bändigen.«
Miguel knallte bei seiner Rückkehr die Tür so zu, dass das Haus erbebte und Hannah desgleichen. Sie hatte im Wohnzimmer gesessen und heißen Wein getrunken. Annetje hatte erst versucht, sie zu trösten, und dann mit einer Ohrfeige gedroht, wenn sie sich nicht bald beruhigte.
Sie wusste, dass er sie aufsuchen würde. Er würde kommen und sie beschwichtigen, versuchen, sie zu besänftigen, zum Schweigen zu bringen, wie es die Witwe getan hatte. Das war alles, was sie von ihr wollten, aber zumindest, so dachte sie, war schweigen etwas, das sie konnte.
Kurz darauf trat er in den Raum. Er bot ihr ein freudloses Lächeln, bemüht, unbefangen zu wirken. Sein schwarzer Anzug war in Unordnung geraten, als hätte er sich angestrengt, und der Hut saß ihm schief auf dem Kopf. Überdies waren seine Augen rötlich verfärbt, fast als ob er geweint hätte, was Hannah für unwahrscheinlich hielt. Sie wusste, das sich manchmal, wenn er sehr wütend wurde, eine Röte über seine Augen breitete wie Blut, das in einen Eimer Milch gegossen wird.
Dann wandte sich Miguel mit versteinerter Miene Annetje zu und forderte sie wortlos auf zu gehen. Hannah versuchte, ein Lächeln zu verbergen. Wenigstens einer wagte, streng zu dem Mädchen zu sein.
Sobald Annetje aufstand, ging Miguel allerdings hinter ihr her. Aus dem Flur konnte Hannah hören, wie Miguel in rasantem
Holländisch auf sie einflüsterte. Die gedämpften Worte verstand sie nicht, aber sie begriff, dass er ihr Anweisungen gab, ihr etwas sehr genau erklärte und lauschte, als das Mädchen ihm alles wiederholte.
Miguel kehrte zurück, setzte sich Hannah gegenüber in einen Sessel und beugte sich nach vorn, die Hände auf seine Schenkel gedrückt. Er wirkte jetzt irgendwie ordentlicher. Vielleicht hatte er im Flur seine Kleider geglättet oder vor dem Spiegel seinen Hut gerichtet. Die Lebhaftigkeit, die aus seiner Erscheinung gewichen war, war wieder da.
»Ich hoffe, Sie sind unversehrt, Senhora.«
»Ja, ich bin unversehrt«, erwiderte sie leise. Ihre Stimme klang ihr selbst fremd. So lange hatte sie darüber nachgedacht, was sie sagen und was sie antworten sollte, dass das Sprechen plötzlich etwas Unwirkliches hatte.
Er beugte sich vor. »Hat der Bursche irgendwas zu Ihnen gesagt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nichts von Bedeutung.« Das kam der Wahrheit ziemlich nahe. Er hatte leise und mit starkem Akzent auf
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