Der Kaiser des Abendlandes
kicherte leise und presste ihre üppige Brust gegen seine Schulter, »ist mutig und klug. Mein Vater ist einverstanden, dass du mich zur Frau nimmst, aber du sagst selbst, dass dein Vater uns Christen nicht leiden kann.«
»Der stete Tropfen schleift jeden Felsen rund«, antwortete Suleiman tröstend. »Der Tag ist nicht fern, an dem er erkennen muss, dass ich meinen Willen durchsetzen werde.«
Zwischen ihnen gab es keinen Zwist, keine unterschiedlichen Meinungen über die gemeinsame Zukunft und keinen Zweifel an ihrer gegenseitigen Liebe. Nicht einmal Herr Dentrevez, der oft und lange mit Suleiman geredet hatte, zweifelte an dessen ehrlichen Absichten. Mariam und eine Dienerin besuchten zwei Mal in der Woche einen alten Mann, der die junge Frau in der arabischen Sprache unterrichtete und dafür mit teurem Papier entlohnt wurde.
Würden sie Kinder haben, galt es als beschlossen, dass diese im christlichen Glauben aufwachsen würden, ganz gleich, ob Suleimans Vater es ablehnen würde oder den Gedanken an seine Niederlage hasste. Doch aller jugendlichen Selbstsicherheit zum Trotz waren die jungen Liebenden durch Abu Lahabs Ränkepläne gefährdet.
»Weißt du«, begann Suleiman, »mein Vater und Abdullah – ich habe dir viel von ihm erzählt! –, sie wissen von dir, sie kennen deinen Vornamen, aber mehr haben sie bisher nicht erfahren. Dennoch, ein Zufall, eine Unachtsamkeit von mir oder die scharfen Augen von Hasan al-Maqrizi, die mehr sehen als sie sehen sollten, und wir sind in großer Gefahr. Mein Vater neigt gelegentlich zu unbedachten Reaktionen.«
»Müssen wir uns fürchten? Vater, du und ich?«
»Nein. Sean und ich beschützen dich. Aber ihr steht auch unter dem Schutz des Emirs und der Dimma, die früher Dar al-Harb war.«
»Aber ihr könnt uns nicht tagein, tagaus beschützen.« Mariam legte ihren Kopf auf Suleimans Schulter und umarmte ihn. »Ahnst du, was dein Vater unternehmen könnte?«
»Er ist ein listenreicher Mann, der außer sich gerät, wenn nicht alles nach seinem Willen geht.«
»Aber was ist sein Wille, wenn sein Geist von diesen Träumen von Macht und Reichtum verwirrt ist?«, fragte Mariam halb verständnislos.
»Das ist der Kern allen Übels«, sagte Suleiman. »Er liebt mich, auf seine verdrehte Weise. Mir geht es gut. Aber er lässt nicht von seinen Träumen ab. Auch nicht von seiner Meinung, dass die Welt besser wäre, wenn’s keine Juden mehr gäbe.«
Mariam schüttelte den Kopf. Ihre Ohrringe klingelten leise.
»Wie willst du ihn zwingen, dass er unserer Hochzeit zustimmt?«
»Ich warte noch auf den richtigen Augenblick, meine Liebste.« Er seufzte und zuckte mit den Schultern. »Wie es genau gehen soll, ist mir noch nicht ganz klar.«
»Deine neuen Freunde werden dir doch helfen.«
»Gewiss«, sagte er.
Eine unverschleierte Dienerin kam aus dem Haus und zündete schweigend einige Öllampen an. Suleiman und Mariam blieben eng umschlungen auf der Bank sitzen und redeten leise miteinander. Sie waren überzeugt davon, dass ihre Liebe ihre Zukunft in ein Paradies verwandeln würde, und lachten über die Unterschiede zwischen dem Paradies der Muslime und dem der Christen.
3
Gewittersturm über Al Quds
In diesem Monat blieb es in Jerusalem ungewöhnlich ruhig. Handwerker und Händler gingen ungestört ihren Berufen nach, die Bewohner der umliegenden Dörfer kamen in die Stadt und verkauften hier ihre Erzeugnisse; gleichzeitig tauschten oder handelten sie Werkzeuge und Waren ein, die sie für ihr tägliches Leben brauchten. Die muslimischen Pilger bevölkerten die Moscheen, schoben sich durch die Souks und den Basar und liefen in Scharen zu den Hospizen. Studenten bevölkerten Treppenstufen, Bänke und Plätze rund um die Medresen, in denen sie islamisches Recht studierten. Uthman hatte Seans Rappen aus dem Mietstall geholt und war, da nur Muslimen das Reiten innerhalb der Stadt erlaubt war, nach Madina el-Ramla geritten. Das winzige Dorf lag im Westen der Stadt. Uthmans Vater, Umar ibn al-Mustansir, hatte dort einen Freund gehabt, der gestorben war. Uthman kannte dessen Sohn, der Kamele züchtete, und dort war das Pferd gut aufgehoben.
Das geschnitzte Gitterwerk in der Tür des Hauses, das Suleimans Steinwürfe und die Wut der Belagerer zerstört hatten, war längst ersetzt worden. Die Handwerker hatten die Schnitzereien meisterhaft ausgebessert und alle Farben neu aufgetragen. Joshua wurde noch immer von dem schweigsamen Riesen abgeholt und zu Rabbi
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