Der Kaiser des Abendlandes
gehabt zu haben. Er hatte ihm freiwillig eine Handvoll Dinare in einem schönen Lederbeutel geschenkt und ihm geholfen, ein Schiff zu finden, das nach Askalon segelte.
Jetzt blieb Elazar stehen, sah sich um und entdeckte in einiger Entfernung eine sprudelnde Quelle, die von einer Gruppe Esel und einer kleinen Ziegenherde umstanden wurde. Er folgte einem schmalen Pfad, setzte sich auf eine moosüberwucherte Felsenbank und wartete dort, bis die Tiere die Quelle freigegeben hatten.
Nun bin ich fast am Ziel, dachte Elazar. Das Viertel Scheich Jarrah werde ich sicher schnell finden. Ebenso das Grab des Simon. Aber was dann?
Der junge Mann wusch sich Gesicht und Hände, füllte seinen Wassersack auf und entschloss sich, dass es besser wäre, die Nacht außerhalb der Stadt zu verbringen, denn vor dem Schließen der Tore würde er sie wahrscheinlich nicht mehr erreichen können. Elazar hatte es ohnehin nicht sonderlich eilig, denn nach all den Monaten, die er unterwegs gewesen war, kam es ihm auf einen Tag mehr oder weniger nicht an. Außerdem scheute er sich, am Ziel seiner langen Reise schließlich enttäuscht zu werden, denn schon, seit er sie angetreten hatte, plagte ihn die Frage, ob der Geist des toten Hohepriesters ihn tatsächlich erleuchten und ihm beim Grab des Simon ein Wink für sein Leben zuteil werden würde.
Abseits der Straße und in einiger Entfernung von der Quelle fand Elazar unter einem alten Ölbaum einen ruhigen Winkel für die Nacht. Er drehte einige flache Steine um und zertrat zwei fingerlange Skorpione. Dann breitete er seinen ausgeblichenen, fadenscheinigen Mantel aus, legte den Wanderstab neben sich und lockerte den Gürtel. Während er auf den Schlaf wartete, erinnerte er sich an den letzten Teil seiner bemerkenswerten Reise.
Piero Bicci hatte schon nach zwei Tagen ein Schiff gefunden, das Waren für die Mamelucken in Askalon lud. Er hatte Elazar der Besatzung als ehrlichen und zuverlässigen Handelsgehilfen angepriesen, und so hatte Kapitän Ibrahim ihn an Bord genommen. Bald hatte sich das große Dreieckssegel im Nordwestwind gebläht und den namenlosen Segler zur syrischen Küste getrieben. In seinen wenigen Tagen an Bord hatte Elazar von den vier Schiffsgehilfen ein paar Brocken Arabisch gelernt und erfahren, dass es nicht nur muslimischen Pilgern, sondern auch Christen und Juden erlaubt war, sich in Jerusalem aufzuhalten. Allerdings erhoben die Mamelucken eine hohe Kopfsteuer, die jeder Besucher zu zahlen hatte.
In Askalon angekommen, hatte Elazar noch geholfen, die Waren zu entladen. Dann hatte er sich der Eselkarawane des Händlers angeschlossen, der Waren nach Jerusalem brachte. Da er nicht wie ein Pilger aussah, hatte ihn auf dem gesamten Weg niemand behelligt, und er war bis vor die Tore der Stadt gekommen, ohne eine Drachme zahlen zu müssen.
Elazar schwor sich, trotz seiner ungenügenden Arabischkenntnisse, auch ohne jede Abgabe bis nach Scheich Jarrah zu kommen.
Kurz vor Anbruch der Nacht zog Sean die Kapuze hinter dem Hemdkragen hervor, rollte seinen Turban auseinander und band ihn um die Hüften. Er wartete ungeduldig auf Suleiman. Sie hatten sich am Rand von Scheich Jarrah verabredet, um auch hier die Ganoven zu jagen, die es auf arglose Pilger und Bettler abgesehen hatten. Wie auch in den anderen Stadtteilen, die sie bisher überwacht hatten, kehrte in Scheich Jarrah mit Einbruch der Dunkelheit nach und nach Ruhe ein. Die Gassen leerten sich, und durch so manche Fensteröffnung konnte man bald Lichter aufleuchten sehen.
Sean streifte ohne Eile durch eine schmale, ruhige Gasse. Der Geruch von frisch zubereiteten Speisen und kaltem Rauch drang in seine Nase, und seine Ohren nahmen die Laute aus dem Inneren der Häuser wahr und die wenigen Geräusche von den umliegenden Plätzen.
Suleiman lässt sich Zeit, dachte er. Oder sein Vater hat verhindert, dass er unbemerkt das Haus verlassen kann. Sean zuckte mit den Schultern und bemühte sich, so zu tun, als gehöre er hierher.
Hier ein plätschernder Brunnen, dort eine streunende Katze, ein Vogel im Geäst eines Granatapfelbaums, das Klappern von Tonschalen, Gelächter und streitende Stimmen begleiteten Seans lautlosen Spaziergang.
Wo blieb Suleiman? Sean bog nach rechts ab, in eine andere Gasse, dann wieder nach links, und als er unter einer Reihe raschelnder Palmkronen entlangging, erinnerte er sich, dass am Ende dieser kurzen Straße der Platz mit dem Grab von Simon lag. Nach einem Dutzend vorsichtiger Schritte hörte er
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