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Der Kaiser des Abendlandes

Der Kaiser des Abendlandes

Titel: Der Kaiser des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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und gab seinem Pferd die Sporen. In leichtem Trab ritt er voraus durch die sandige Gasse, die aus der Stadt hinausführte, wo zahlreiche Fundamente und Mauerreste das einstige Stadttor ahnen ließen. Layla und das Packpferd folgten. Nach einiger Zeit vernahmen sie hinter sich den Hufschlag eines Pferdes.
    Suleiman drehte sich halb um und sah, dass es Sean war, der sich ihnen am Rand der Straße näherte und, als er bis zum Lasttier aufgeschlossen hatte, seinen Rappen zügelte.
    »Das ist mein Freund Sean«, rief er Layla zu. »Ich habe dir nur einen Teil seiner Vorzüge geschildert.«
    »Er wird viel Zeit haben, mir den anderen vor Augen zu führen«, entgegnete Layla, und als Sean neben ihr ritt, sah sie ihn mit ihren großen, fast schwarzen Augen aus dem Schlitz ihres Schleiers an.
    Dank Uthmans und Suleimans Hilfe waren die Freunde bestens ausgerüstet. In Seans Satteltasche steckte der Antwortbrief des Kaisers in einem Umschlag aus dünnem Leder. Das Wagnis, hatten Henri und Uthman übereinstimmend gesagt, war überschaubar. Niemand hielt Sean für einen Juden, Christen oder Händler, den man ungestraft ausrauben konnte. Sean trug neben dem Schwert den Köcher und den Bogen auf dem Rücken. Sein Gesicht hatte er mit einem Kinntuch gegen den Staub geschützt.
    »Zwei Tage nach Madina? Schaffen wir das, Suleiman?«, fragte Sean. Er nickte Layla zu und galoppierte an Suleimans Seite.
    »Länger wird es nicht dauern«, antwortete Suleiman. »Siehst du diesen Hasan oder einen anderen Handlanger Abdullahs hinter uns?«
    »Ich bin eine ganze Weile hinter euch geritten. Ihr werdet nicht verfolgt«, sagte Sean. »Aber dein Vater, der alte Wüstenfuchs, hat vielleicht entlang des Weges seine Späher aufgestellt.«
    »Wenn sie da sind, werden wir sie spätestens dann sehen, wenn wir im flachen Land, in der Wüstenei, angekommen sind«, sagte Layla.
    Als Sean ihre Stimme hörte und ihre Worte verstand, rieselte ihm ein wohliger Schauer über den Rücken.
    »Ich habe Augen wie ein Falke«, fügte sie hinzu, »und ich werde die Schurken eher erkennen als ihr. Frauen sehen solche Dinge rascher und genauer als Männer.«
    »Inshallah!«, sagte Sean laut und ließ sein Pferd in Trab fallen.
    Seit einer Stunde stand die Sonne am Himmel. Der Tag versprach sehr heiß zu werden. Die Pferde trabten in einer langen Reihe dahin. Um diese Zeit kamen unzählige Besucher in die Stadt; kaum jemand verließ Jerusalem zu dieser Stunde. Sean, der das ganze Vorhaben in vielen schlaflosen Momenten in Gedanken immer wieder auf schwache Stellen und mögliche Zwischenfälle durchgegangen war, begann sich mit jeder zurückgelegten Meile etwas sicherer zu fühlen. Natürlich erinnerte er sich auch an seinen Kampf, seine Entführung und die Flucht. Aber sie ritten auf einer anderen Straße, und Abdullahs Männer schienen andernorts ihr Unwesen zu treiben.
    Trotz aller gemeinsamen Abenteuer und Kämpfe war Suleiman seinem Kampfgenossen Sean mitunter unheimlich. Er schien Gerissenheit und einen großen Reichtum an Listen und Verschlagenheit von seinem Vater geerbt zu haben. Aber auch jetzt wendete er diesen Reichtum klug und für die gerechte Sache an, so, wie er aufgerichtet im Sattel saß, das Pferd durch eine gute Körperhaltung schonte und gleichzeitig wachsam die Umgebung beobachtete. Mariam musste von ihrem jungen Verehrer wahrlich hingerissen sein!
    Noch immer verstand Sean nicht ganz, was Suleiman damit bezweckte, dass Layla mit ihnen ritt. Sie hielt sich ebenso sicher im Sattel wie Suleiman oder Sean, und Sean war sicher, dass ihre großen Augen so scharf waren – oder sogar schärfer – wie Suleimans Augen und ihr Blick so verführerisch wie ihre Stimme.
    Begleitung und Ratgeberin für den Kaiser des Abendlandes! Sean zuckte mit den Schultern und stemmte die Stiefel in die Steigbügel. Er musterte die Gesichter der Bauern und Wanderer, die ihm entgegenkamen, wich einem Ochsengespann aus und erinnerte sich daran, was ihm Uthman über Madina el-Ramla berichtet hatte, den Ort, an dem sie sich einige Tage aufhalten würden. Die Pferde trabten ruhig dahin, und nach einer Weile sagte sich Sean, dass alles Grübeln im Moment bedeutungslos war. Es würde schon alles gut gehen. Auch die Befreiung des jungen Juden.
    Gegen Mittag, als die Pferde im Schritt gingen und die leere Straße sich wie ein weiß glühendes Band durch die bergige, felsige Landschaft wand, galoppierte Sean zu Suleiman an die Spitze und fragte leise: »Darf ich mit Layla reden?

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