Der Kaiser des Abendlandes
Murmeln. Dann entgegnete der Mann hinter der Tür: »Ich kenne dich. Was willst du?«
»Mein Vater schickt mich. Ich will zu dem Juden, den ihr für ihn beim Grabmal des jüdischen Simon überfallen und verschleppt habt.«
Eine Pause entstand. Drinnen schienen sich mehrere Männer zu beraten. Dann schloss sich das Fensterchen, und mit leisem Knarren öffnete sich die Tür einen Spalt breit.
»Der Jude ist ein Gefangener deines Vaters«, sagte ein mittelgroßer, breitschultriger Mann im schwarzen Burnus. »Wir dürfen ihn nicht freilassen.«
»Ich will ihn sehen, nicht freilassen«, sagte Suleiman. Seine Stimme klang wie ein harscher Befehl. »Lasst uns hinein, mich und meinen Freund.«
Wieder flüsterten ein paar Männer miteinander, dann verbreiterte sich der Spalt. Drei Männer, alle in schwarzen Gewändern, versperrten nebeneinanderstehend den Korridor.
Suleiman trat ein, sah sich nach Sean um und sagte: »Mein Vater sorgt sich um das Wohlergehen seines Gefangenen. Der junge Jude ist für ihn sehr wichtig. Ich muss sehen, wie es ihm geht. Wenn ihr mir nicht glaubt – fragt Abu Lahab. Er ist jetzt bei seinen Schwertschmieden.«
»Schon gut. Wir glauben dir«, sagte einer der Männer mit heiserer Stimme. »Kommt mit.«
Der Korridor führte in einen großen Empfangsraum, dessen uralte Wände dick gekalkt waren. Truhen, Öllampen und niedrige Tische standen auf dem blanken Boden, an der Wand sah Suleiman zwei Lager aus Decken und Teppichen. Zwei Öllämpchen brannten. Einer der Entführer entzündete eine Fackel und reichte sie dem Anführer der Gruppe. Suleiman und Sean folgten dem Mann in ein Nebengelass auf der rechten Seite, von dem aus eine steile Treppe nach unten führte. Links sahen sie die Treppenstufen zum oberen Stockwerk.
Sie gingen hintereinander die schmalen Stufen hinunter bis zu einem Korridor. Es war still und finster, die Fackelflamme rief auf den feuchten Wänden flackernden Widerschein hervor. Aus der Dunkelheit schälten sich am Ende des Ganges die kantigen Umrisse einer Gittertür heraus. Suleiman blieb vor der Tür stehen, nahm dem Anführer die Fackel aus der Hand und hielt sie über seinen Kopf.
Er stieß einen langen, furchtbaren Fluch aus und wandte sich an den Mann mit der heiseren Stimme.
»Ich sehe einen schmutzigen Gefangenen in einer stinkenden Zelle. Mein Vater wird Abdullah befehlen, euch streng zu bestrafen. Seid ihr des Satans?«
»Was… was haben wir getan, das deinen Zorn derart erregt?«
»Dieser Mann ist ein wichtiger Zeuge in einem Vorhaben, das größer ist, als eure kleinen Gehirne erfassen können. Ich verlange – und mein Vater will es nicht anders! –, dass ihr dem Gefangenen alle Wohltaten unserer Gastfreundschaft erweist. Alle! Er soll sich nicht als Gefangener fühlen! Er ist ein Gast von Abu Lahab, dem Meister aller Schwerter!«
Sean hörte gespannt zu. Suleimans Vorstellung war überzeugend.
Jetzt stellte er sich dicht vor die Gittertür und rief: »Du, Gefangener, komm näher!«
Zögernd stand der Jude auf und kam langsam auf die Tür zu. Wahrscheinlich, sagte sich Sean, war er der arabischen Sprache nicht mächtig oder verstand sie nur sehr ungenügend. Das zumindest schloss er aus dem fragenden Blick des Angesprochenen.
»Dein Name?«, fragte Suleiman in versöhnlicherem Ton.
»Ich bin Elazar ben Aaron. Sie haben mich…«
»Ich weiß alles«, antwortete Suleiman, griff unauffällig in seinen Ärmel und zog Joshuas Botschaft hervor. Er stellte sich so vor die Riegel, dass die drei Entführer seine Bewegungen nicht erkennen konnten, und schob das Papier durch das Gitter.
»Shalom«, sagte er leise und auf Hebräisch: »Für dich. Lies und warte.«
Der Gefangene nahm das Papier blitzschnell an sich.
Suleiman drehte sich zu den Wachen um und hob den Arm. »Der Gefangene soll ein Bad nehmen, frische Kleider anlegen und gute, stärkende Speisen erhalten, dazu soll er Wein und weißes Brot bekommen. Er soll auf einem weichen Lager schlafen, und ihr werdet ihm, dem Gast meines Vaters, seine Wünsche von den Augen ablesen. Der Gast ist heilig. Ihr und Abdullah habt euch gegen unsere Gebote versündigt!«
Seine Stimme war lauter geworden und schärfer. Sie hallte in dem steinernen Gang wider, und die Männer schienen sich unter den Vorwürfen zu ducken.
Schließlich sagte der Heisere: »Wir werden ihn in das obere Stockwerk bringen. Dort soll er aller Annehmlichkeiten teilhaftig werden, die einem Gast gebühren.«
»So ist es recht! In wenigen
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