Der Kaiser des Abendlandes
Wird sie mir antworten?«
»So gut sie es kann.« Suleimans verschwitztes Gesicht begann sich mit weißem Staub zu überziehen. Aus der Staubmaske heraus schienen seine Augen wie schwarze Kugeln zu leuchten. »Was willst du sie fragen?«
»Warum sie mit uns reitet«, antwortete Sean. »Und wie sie den Kaiser verwöhnen will.«
Suleiman lachte. Die Ohren der Pferde zuckten und drehten sich. Er deutete mit dem Daumen über die Schulter und entgegnete: »Wie gut, dass du inzwischen unsere Sprache beherrschst.«
Sean hielt sein Pferd an und gab die Zügel frei, als Layla neben ihm ritt. Er fühlte ihren prüfenden Blick auf seinem Gesicht. Er hüstelte, holte tief Luft und sagte: »Ich kann dein Gesicht nicht sehen, aber ich kann deine Stimme hören. Sollen wir eine Rast einlegen? Irgendwo im Schatten?«
»Wenn wir demnächst Schatten finden, sollten wir rasten«, antwortete sie und lachte leise hinter ihrem Schleier.
Diese Antwort, dachte er, hätte Guinivevre mir auch gegeben.
Abseits der Straße, in einer winzigen Schlucht unter überhängenden Felsen, hatten sie ein Lager aufgeschlagen. Zuerst tränkten und fütterten sie die Pferde, dann entfachte Layla ein Feuer und erhitzte Wasser für einen würzigen Kräuteraufguss. Sean breitete im schmutzigen Sand seinen Reitermantel aus, den die alte Mara mit einigen fast farbgleichen Stoffflicken ausgebessert hatte, schlug ihn halb zurück und setzte sich darauf. Mit wenig Wasser wuschen er und Suleiman ihre Gesichter und spuckten viel staubiggelben Schleim aus. Suleiman kannte den Weg und erklärte ihnen, dass sie – wenn nichts dazwischenkäme – am nächsten Nachmittag die Siedlung erreichen würden, in der sie unterkommen wollten. Als nur noch die Flammen und die rote Glut ihres Feuers flackerndes Licht verbreiteten, schlug Layla den Schleier zurück. Kurze Zeit später nahm sie ihn vollständig ab und schüttelte ihr Haar aus. Sie holte drei Becher aus ihrer Satteltasche hervor und füllte sie mit Kräutersud. Einen davon reichte sie Suleiman, dann wandte sie sich Sean zu. Dieser blickte forschend in ihr Gesicht, aber es war zu dunkel, als dass er ihre Züge genau hätte erkennen können; er konnte lediglich sehen, dass sie ein junges Gesicht hatte und nicht hässlich war.
Er dankte ihr, und sie huschte zurück zu ihrem Platz neben dem Feuer. Sean spannte seinen Bogen und stellte den Pfeilköcher an die Felswand. Als Suleiman ihn nach Mitternacht zur zweiten Wache an der Schulter rüttelte, deutete er auf die Schlafende, legte den Finger an die Lippen und nahm dann sein Schwert von der Schulter. Der Halbmond schwebte zwischen den Felswänden und leuchtete schwach in das kleine Lager. Im kalten Licht des Gestirns sah Sean Laylas Gesicht. Er vertiefte sich lächelnd in das Bild, nickte Suleiman zu und ging mit knirschenden Schritten zum Eingang der Schlucht.
Niemand störte sie, und niemand sah sie, als sie, wieder im Morgengrauen, die ausgeruhten Pferde bestiegen und weiterritten. Layla trug wieder ihren Schleier, doch Sean kam es so vor, als ob sie ihm hinter dem dünnen Stoff zulächelte.
Madina el-Ramla bestand aus einem Dutzend unterschiedlich großer Häuser aus Bruchstein, Holz und Lehm, die mit altem Schilf und frischen Palmwedeln gedeckt waren. Niedrige Steinmauern und Zäune aus Flechtwerk grenzten einige sattgrüne Weiden und Gärten ein. Neben alten Palmen und Ölbäumen, die einst von den Mamelucken verschont geblieben waren, wuchsen junge Bäume.
Niedrige Felsen umgaben das Dörfchen in einem Halbkreis. Als die Reiter der Straße in die Ebene hinunterfolgten, sahen sie, dass sich hinter dem Dorf in einer Senke eine Oase ausbreitete, in deren Mitte ein großer Tümpel in der Sonne glänzte.
»Nach all den Erzählungen, die mir über Madina el-Ramla zu Ohren gekommen sind, habe ich mir die Siedlung viel kleiner, bedeutungsloser und ärmlicher vorgestellt«, sagte Sean. Er war überrascht von der Fruchtbarkeit des sattgrünen Landstrichs. Das Tal, geformt wie eine flache Schüssel, lag im Schutz einiger Hügel und etlicher schroffer Felsen. Alte Ölbäume mit silbrigen Blättern wuchsen auf den Hügeln.
»Hier gibt es schon seit sehr langer Zeit frisches Wasser«, erklärte Suleiman. »Deshalb ist die Siedlung nie verwüstet worden. Auch nicht von den Mamelucken. Selbst die Kreuzritter haben sie verschont.«
Als sie weiterritten, verschwand Madina el-Ramla vorübergehend hinter kahlen Felshügeln. Ein ausgetretener Pfad führte von der
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