Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kaiser des Abendlandes

Der Kaiser des Abendlandes

Titel: Der Kaiser des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
Vom Netzwerk:
Tagen wird ihn mein Vater zu sich holen, denn er braucht einen jüdischen Helfer, der sein Vertrauen verdient.« Er lachte schneidend. »Vielleicht kann ich seinen Zorn besänftigen. Morgen oder übermorgen kommen wir wieder. Und dann will ich sehen, dass er sich wohlfühlt wie in Ibrahims Schoß.«
    »Wir tun alles, was du wünschst, o Suleiman. Aber wer soll die Leckerbissen und den Wein bezahlen? Abdullah hat uns nichts gegeben.«
    »Ich werde euch etwas geben.« Suleiman kramte in einer Tasche seines Burnus und brachte einige Münzen zum Vorschein. »Hier! Das reicht für ein paar Tage.«
    Er reichte die Münzen dem Anführer der Wache und wandte sich dann wieder an den Gefangenen. Die wenigen Worte in hebräischer Sprache klangen fremd, aber selbst für Sean verständlich.
    »Warte. Geduld. Wir holen dich. In ein paar Tagen! Du verstehst?«
    »Inshallah!«, antwortete der Gefangene zu Suleimans und Seans Überraschung und fügte hinzu: »Ich verstehe. Holt mich bald.«
    Suleiman winkte mit herrischer Geste, gab dem Anführer die Fackel zurück und sagte, während er zur Treppe ging: »Mein Vater wird euch bestrafen oder aber loben und mit Geschenken überhäufen. Es hängt von euch ab. Hindert den Juden daran, zu fliehen, ansonsten aber verwöhnt ihn, wie es einem Gast Abu Lahabs zusteht. Geht dieser Befehl in eure leeren Köpfe, oder muss ich’s aufschreiben?« Er winkte ab und stürmte, Sean im Gefolge, die Treppe hinauf. »Ihr könnt ohnehin nicht lesen, was soll’s. Morgen oder übermorgen komme ich oder mein Freund hier« – dabei deutete er auf Sean – »zurück. Wir werden uns überzeugen, ob ihr gehorcht habt oder nicht. Denkt daran – Effendi Abu Lahab wird wahrscheinlich bald an der Seite des Emirs über die Stadt gebieten!«
    Der Anführer der Wache öffnete Suleiman und Sean die Tür, legte eine Hand aufs Herz, verbeugte sich und entließ sie in den hellen Sonnenschein. »Es wird alles so geschehen, wie du es befohlen hast«, sagte er dabei. »Sag deinem Vater, dass dem Gefangenen kein Haar gekrümmt wird.«
    Suleiman drehte sich um und entgegnete mit unheildrohender Stimme: »Vielleicht glaubt er mir. Wenn nicht, werdet ihr es erfahren und büßen müssen.«
    Er hob die Hand zu einem knappen Gruß, packte Sean am Ärmel und zog ihn durch die Gasse bis zu deren Ausgang.
    Dort blieb Sean stehen, starrte Suleiman kopfschüttelnd an und sagte fast bewundernd: »Von dir kann ich noch vieles lernen. Du bist das größte Schlitzohr, das ich je kennen gelernt hab. Ich verneige mich in Ehrfurcht vor dir, Suleiman.«
    Suleiman lächelte nicht, als er entgegnete: »Das war einfach. Was in den nächsten Wochen vor uns liegt, Sean, ist viel schwieriger und kann uns alle ins Verderben stürzen. Und dann würde die einzigartige Layla auch um dich weinen.«
    »Wer? Layla? Weinen? Um mich?« Sean richtete seinen Blick zum Himmel. »Wer ist Layla, vermutlich eine Frau, und warum sollte sie um mich weinen? Um mich, der sie nicht einmal kennt?«
    »Kommt Zeit, kommen Rat und Gelegenheit«, antwortete Suleiman leichthin. »Du erfährst alles, wenn es so weit ist.«
    Sean zog den Kopf zwischen die Schultern und ächzte: »Ich sollte mich vor dir zu fürchten beginnen, mein Freund. Deine Rede ist ebenso dunkel wie deine Gedanken. Wenn es so weit ist – wann ist es so weit?«
    »Bald, o Sean«, sagte Suleiman und lief vor ihm nach links in eine der vielen Gassen hinein. Ihr Ziel war Uthmans Haus, wo die Freunde gerade die richtige Antwort auf einen falschen Brief zu schreiben versuchten.

 
    6
     
     
     
    Die Händler der Schwerter und Dolche
     
    Als Sean und Suleiman das erste Stockwerk betraten, stand die Tür zu Joshuas Arbeitszimmer weit offen. Der jüdische Gelehrte und sein Freund Henri saßen einander an einem Arbeitstisch gegenüber. Zwischen ihnen auf der Tischplatte lagen Schreibutensilien und einige Blätter Papier.
    »Wo ist Uthman?«, wollte Sean wissen und setzte sich zu den beiden Männern an den Tisch.
    Henri hob den Kopf und antwortete: »Er bereitet euren Ritt nach Askalon vor. Pferde, Sättel, Decken und Proviant.«
    »Das wollte ich eigentlich meinem Vater oder Abdullah überlassen«, sagte Suleiman und betrachtete interessiert die Schriftzeichen, die die auf dem Tisch ausgebreiteten Papiere zierten. Für ihn waren sie ebenso wenig lesbar wie die Zeichen auf dem Zettel, den Joshua ihm für Elazar mitgegeben hatte. »Aber er wird wissen, was er tut.«
    »Sei unbesorgt«, sagte Henri. »Uthman

Weitere Kostenlose Bücher