Der Kaiser des Abendlandes
Form stattfinden, die ihn von seinem triumphalen Erfolg überzeugte. Uthman, Henri und Joshua schlugen verschiedene Worte und Sätze vor und ließen Joshua das Geschriebene vorlesen.
Inzwischen bereitete sich Sean darauf vor, wieder in die Rolle des Wesirs zu schlüpfen. Suleiman sollte ihn, so hatten sie es sich überlegt, auf die Straße nach Askalon begleiten, als Beschützer und um Abu Lahabs Misstrauen zu beschwichtigen. Dort würde Sean, alias Nicolaus, einen kaiserlichen Boten treffen, der ihm den zweiten Brief an den Schwertschmied übergeben würde.
»Zuerst muss mein Vater den Juden freilassen«, sagte Suleiman. »Die Nacht ist unsere Freundin. Also werden wir den Kaiser schreiben lassen, er wolle sich mit Abu Lahab nachts treffen.«
»Wo?«, wollte Uthman wissen.
»Das soll er selbst bestimmen«, schlug Henri vor.
Suleiman rief kopfschüttelnd: »Nein. Wir treffen uns mit dem Kaiser dort, wo Elazar ben Aaron gefangen gehalten wird. Dort kann der Kaiser mit Abu Lahab seine Unterwerfung bereden.«
»Dort ist auch genügend Platz, falls es zu einem Kampf kommen sollte«, warf Uthman ein. »Beim Haus mit der schwarzen Tür also.«
»Das dürfen wir aber nicht schreiben, denn weder der Kaiser noch der Bote oder Sean, alias Nicolaus, können etwas von dem Gefängnis wissen«, sagte Henri. »In der Nacht – das ist gut. Im Dunkeln wird niemand meine Verkleidung durchschauen.«
»Eine blendende Idee«, bemerkte Joshua lächelnd und strich eine halbe Zeile durch. »Schreiben wir also wieder ›Im Namen Allahs, des Allerbarmers‹, und alles in hebräischen Schriftzeichen. Hör gut zu, Suleiman.«
»Ich merke mir jedes Wort, Joshua.«
Als der Wortlaut des Schreibens im Großen und Ganzen feststand, hob Uthman die Hand und sagte: »Eure Pferde, Suleiman? Stehen sie noch im Mietstall?«
»Dort sind auch die Sättel«, warf Sean ein. »Die Satteltaschen und die sonstige Ausrüstung habe ich hier, in meinem Zimmer.«
»Wann wollt ihr reiten?«
»Übermorgen. Wir bleiben einen Tag lang in Madina el-Ramla«, schlug Suleiman vor. »Drei Tage also. Zwei Tage reiten wir zurück, dann sind wir staubig und durstig genug, um meinen Vater zu überzeugen.«
»Und wenn er fragt, wie ihr von dem Boten und dem Brief gehört habt?« Henri hob fragend die Brauen. Seit dem ersten kaiserlichen Antwortbrief hatte er Bart und Haupthaar wachsen lassen; wahrscheinlich, sagte er sich, würde er mit wallendem Bart und langem Haar kaiserlicher aussehen.
Suleiman sah Sean an, grinste, zuckte mit den Schultern und antwortete: »Dann lassen wir uns eine feine Ausrede einfallen. In den vier Tagen, die wir reiten, wird uns etwas einfallen. Ein Pilger, ein Besucher, ein Seemann aus Askalon, wer weiß.«
»Abu Lahab muss uns alles glauben«, sagte Uthman. »Auch die unglaubwürdigen Worte und Handlungen. Er muss allein zu diesem Treffpunkt kommen.«
Suleiman hob abwehrend die Hände. Ungerührt schrieb Joshua weiter und raschelte mit den Briefbögen.
»Er kommt nicht ohne Abdullah. Im Haus mit der schwarzen Tür sind Bewaffnete, die Abdullahs Befehle ausführen.«
»Wir werden unsere Schwerter schärfen«, versicherte Uthman grimmig. »Auch der Kaiser braucht eine zuverlässige Begleitung.«
»Einverstanden.« Henri blickte Joshua über die Schulter. Der Gelehrte schrieb Wort für Wort in der Schrift, in der auch der erste Brief abgefasst worden war. »Es wird alles vorbereitet sein. Inzwischen fange ich an, mich auf das Streitgespräch mit deinem Vater zu freuen. Ich werde versuchen, ihn zum Christentum zu bekehren, und er wird mich schließlich zu einem Muslim machen.«
Suleiman richtete den Blick zum Himmel, verdrehte die Augen und sagte, von leisem Gelächter unterbrochen: »Es wird sicherlich eine Nacht unvergesslicher Streitgespräche. Wir werden alle zuhören. Hoffentlich wecken wir niemanden auf mit unserem Lachen.«
Spätabends, als der Brief geschrieben, gefaltet, gesiegelt und in einen schweren Umschlag geschoben worden war und Joshua ben Shimon das Schreibzeug wegräumte, hielt er plötzlich inne und wandte sich an Henri. Sie waren allein in Joshuas Arbeitszimmer.
»Elazar ben Aaron.«
»So heißt der junge Jude, den Abu Lahab gefangen hält. Er hat es Suleiman selbst gesagt. Was willst du mich fragen?«
»Ich will dir etwas erzählen«, antwortete Joshua. »Dazu muss ich dir eine alte Geschichte berichten, ein Kapitel aus der Thora. Damals haben sie zwölf Stäbe auf die Bundeslage gelegt, aber nur der Stab, der
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