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Der Kaiser des Abendlandes

Der Kaiser des Abendlandes

Titel: Der Kaiser des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Aaron gehörte, schlug aus und fing zu sprießen an. Das war für Moses, den Bruder des Aaron, das Zeichen, dass Gott den Aaron zum Hohepriester auserwählt hatte.«
    »Aaron, Hohepriester – was hat es mit dem Jungen zu tun?«
    »Langsam. Warte. Dieses Amt wird seit dem Stammvater Aaron in väterlicher Linie weitergegeben. Wir nennen die Priester ›Kohanim‹. Jeder, der Aaron heißt, leitet seine direkte Abkunft von Aaron her.
    Der Rabbi, mit dem ich zusammen zur ärmlichen Synagoge gehe und bete, Beruch ben Cohen, ist ein später Nachkomme von Aaron. Auch alle, die Coen oder Kohan heißen, ebenso Elazar ben Aaron, zählen dazu. Übrigens – unsere Synagoge ist nur ein größerer Raum im Haus des Rabbi, im Gewölbe. Noch erlauben die Mamelucken nicht den Bau eines richtigen Gotteshauses.« Er machte eine Pause und fuhr dann fort: »Es mag sein, dass Elazars Vater ihn in die Stadt Jerusalem geschickt hat. Abu Lahab hält also den Träger eines ehrwürdigen Namens gefangen.«
    »Das macht ihn für uns nur umso wertvoller«, pflichtete Henri seinem Freund bei. »Bald ist er frei, hoffe ich.«
    »Wir werden ihm dabei helfen.«
    Joshua verschloss den Tintenkrug und legte die Feder ins Kästchen zurück. Er schob die Papierblätter in die Mappe, ordnete seine Bücher und lehnte sich zurück. Ein nachdenklicher Blick traf Henri.
    »Ehe das neue Jahr der Christen anfängt, sollten wir unsere Aufgaben erfüllt haben«, sagte Joshua ärgerlich. »Eigentlich hätten wir Besseres zu tun, als uns mit diesem närrischen Schwertschmied herumzuärgern.«
    »Du sagst es, Joshua«, schloss Henri und langte nach dem Weinkrug.
     
     
    Uthman hielt die Zügel der schwer bepackten Pferde in der rechten Hand. Die andere Hand hob die Fackel in die Höhe. Langsam führte er die Tiere in die Gasse hinaus und wartete, bis Suleiman und Sean sich verabschiedet hatten und aufgestiegen waren.
    »Danke, Uthman«, sagte Sean. »In spätestens sechs Tagen sind wir zurück.«
    »Keinen Tag länger«, antwortete Uthman mit Bestimmtheit. »Ich traue der Ruhe nicht. Am wenigstens traue ich deinem Vater, Suleiman.«
    Er ließ die Zügel los und trat einige Schritte zur Seite. Suleiman und Sean setzten sich im Sattel zurecht, Suleiman zündete eine zweite Fackel an.
    »Ich traue ihm noch viel weniger«, sagte Suleiman, schwenkte die Fackel und stieß seinem Pferd die Hacken in die Seiten. Sean winkte und folgte Suleiman hinaus auf die breite Sandstraße, die aus der Stadt führte.
    Sie ritten im Schritt, im Licht der Fackel und des weißen Mondes über der Stadt. Leise pochte der Hufschlag im Sand. Die Straße war leer, nur ab und zu glühten im Fackellicht die Augen kleiner Tiere auf, die im kahlen Gehölz neben der Straße raschelten. Tautropfen glitzerten auf den Blättern und Halmen. Suleiman und Sean ritten schweigend, die Pferde wechselten vom Trab in den kurzen Galopp und fielen wieder in den Schritt, während der Mond hinter den Bergen versank und langsam die Sterne erloschen und dem fahlen Licht des Morgens Platz machten. Erst als am Vormittag die Hitze zunahm, hielten sie die Pferde an und tränkten sie. Ohne aufgehalten zu werden, erreichten sie am frühen Abend den Felseinschnitt, in dem sie schon zweimal ihr Lager aufgeschlagen hatten.
    Elazars Ungeduld war von Tag zu Tag gewachsen. Noch kurz bevor der junge Araber ihm den Zettel zugesteckt hatte, war er sicher gewesen, aus dem Gefängnis fliehen zu können. Seine Bemühungen, ein Viereck aus der Bohlentür herauszusägen, waren weit gediehen gewesen, als ihn seine Wärter aus dem stinkenden Gewölbe geholt und in ein kleines Zimmer im oberen Stockwerk gebracht hatten. Jetzt hatte er Licht, das durch ein winziges Fenster einfiel. Es war zu klein, als dass er sich hätte hindurchwinden können, und so war an ein Entkommen nicht mehr zu denken.
    Die Wachen hatten ihm erlaubt, sich zu waschen, und ihm neue Kleidung sowie gutes Essen gebracht. Und vom Fenster aus konnte er einen Teil der Stadt betrachten. Sein Geld hatten die Männer nicht gefunden, und das schwarze Buch seines Vaters, in dem er immer wieder las, war nicht angetastet worden. Noch mehr: Aus den Unterhaltungen der Bewacher lernte er, weil sie die meisten seiner Fragen beantworteten, die Sprache der Araber.
    Alle Geräusche und Laute, die außerhalb des Gefängnisses entstanden, hörte er mit zunehmender Schärfe. Er unterschied die Rufe der Muezzine, die fünf Mal am Tag die Muslime zum Gebet riefen. Das Keckem der Elstern

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