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Der Kaiser von China

Der Kaiser von China

Titel: Der Kaiser von China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Rammstedt
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am rechten einen mit hohem Absatz, gute fünf Zentimeter machte der Unterschied aus.
    »Hier ist es«, sagte Dai dann auf einmal, sprang vom Lenker, und wir folgten ihr in ein Gebäude, das von außen wie ein Spielsalon aussah, und von innen, wie wir bald feststellten, ebenfalls, in langen Reihen standen dicht an dicht blinkende Automaten, davor saß jeweils ein mittelalter Chinese auf einem Barhocker, Dai lief zielstrebig durch den Saal, öffnete am hinteren Ende eine schlichte, unbeschriftete Tür, und wir traten in eine Küche. An einem großen Herd wurden geschäftig Pfannen geschwenkt, daneben hackten zwei schwitzende Männer auf einem Tapeziertisch Gemüse, fast die gesamte Rückwand des Raumes nahm ein riesiges Aquarium ein, in dessen grünlichem Wasser sich Hunderte von Fischen, Krustentieren und Kopffüßern tummelten. In der Mitte der Küche standen fünf Plastiktische, alle waren bereits besetzt, doch Dai rief etwas, und schon schaffte eine Kellnerin einen weiteren Tisch herbei, rückte die übrigen resolut zur Seite und bat uns, Platz zu nehmen. Es war unglaublich heiß in der Küche, unter der Decke hing zwar ein großer Ventilator, doch der lief zu langsam, um irgendetwas ausrichten zu können, wir saßen so eng, dass mir andauernd die Essstäbchen vom Nebentisch in den Rücken stachen, die Pfannen zischten, die Köche schrien sich an, irgendwo war auch ein Radio laut aufgedreht. »So«, sagte Dai , »hier können wir endlich in Ruhe alles besprechen.«
    Zunächst ging es aber wieder ums Essen. Dass ich höchstens einen kleinen Salat möge, sagte ich zwar, doch Dai schnaubte nur verächtlich, dann nahm sie Großvater und mich an die Hand und führte uns zu dem großen Aquarium. »Was lacht euch an?«, fragte sie, und als wir ratlos auf das Gewimmel schauten, rief sie die Kellnerin herbei und begann für uns alle zu bestellen, immer wieder ließ sie sich einen Fisch oder eine Krabbe, einen Üktopus , eine Qualle herausfischen, um sie aus der Nähe zu begutachten, am Ende hatte sie gut ein Dutzend Tiere ausgewählt, »Für euch auch Bier, oder?«, fragte sie auf dem Weg zurück zum Tisch und winkte der Kellnerin, ohne unsere Antwort abzuwarten, mit drei erhobenen Fingern zu.
    »Also, was hast du herausgefunden?«, fragte Großvater, als die Bierflaschen vor uns standen. Dai nahm einen tiefen Schluck, wischte sich den Mund ab und lächelte stolz. Sie habe viel herumtelefoniert heute, sagte sie, es sei nicht ganz einfach gewesen, aber nach etlichen Gesprächen mit Bekannten von Bekannten von Bekannten von Bekannten habe sie endlich jemanden gefunden, der ihr weiterhelfen könne. Hu sei inzwischen zwar schon sehr alt, aber er leite das Heim nach wie vor, und nach etlichen Umzügen in den letzten Jahren befinde es sich zurzeit angeblich in Fenghuang , was ein glücklicher Zufall sei, denn das liege ja nur achthundert Kilometer entfernt von hier.
    Großvater zog aufgeregt kleine Streifen vom Etikett seiner Bierflasche. Wie man denn dort am schnellsten hinkomme, fragte er. Dai überlegte kurz. »Ich schlage vor, wir mieten ein Auto«, und Großvater ließ von seiner Flasche ab. »Wir?«, fragte er. Dai sah uns abwechselnd an. Natürlich komme sie mit, sagte sie. Oder hätten wir vielleicht etwas dagegen? »Ganz und gar nicht«, sagte ich. »Im Gegenteil«, sagte Großvater. Dai stieß mit uns an. »Gut, dann essen wir jetzt nur noch schnell einen Happen.«
    Großvater und ich waren sprachlos, und Dai schien das zu freuen. »Von Schanghai habt ihr jetzt ja fast alles gesehen. Wenn wir gleich fahren, sind wir morgen Mittag da.«
    Dann wurde das Essen gebracht, Dai lud sich ihre Schale voll und begann in Ruhe zu essen, ich knabberte nur ein wenig an einer Sojasprosse herum, Großvater rührte gar nichts an, aber ich konnte sehen, dass er lächelte.
    Es ist sehr leicht, in China einen Wagen zu mieten. Wir schoben das Tandem bis zur nächsten Kreuzung, als die Ampel auf Rot sprang, zeigte Dai auf die wartenden Autos. »Sucht euch eines aus«, sagte sie und ging dann, obwohl sich Großvater für einen Sportwagen mit blau getönten Scheiben entschieden hatte, auf einen schon etwas mehr als verbeulten Pickup zu, klopfte an die Scheibe und begann auf den Fahrer einzureden. Nach wenigen Minuten erhitzter Verhandlung reichte sie ihm einen Stapel Geldscheine, der Fahrer stieg aus, sah Großvater und mich skeptisch an, prüfte dann den Reifendruck des Tandems, stieg auf und fuhr wortlos davon. »Alles klar«, sagte Dai ,

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