Der Kalligraph Des Bischofs.
umbringen. Aber er wird aufgeben, wenn er feststellt, mit wem er sich hier angelegt hat.«
Hinter seinem Rücken versuchte der Stadtbüttel, sich zu entfernen. »Ihr da!« Godeoch drehte sich um. »Ihr seid ein Versager.«
»N-n-nein, Herr.«
»So? Beweist es!«
»Wie, Herr?«
»Nehmt Euch ein Pferd. Ihr werdet einen Boten abfangen, der Richtung Norden reitet, vielleicht lasse ich Euch dann im Amt.
Er ist für den Bischof unterwegs – sorgt dafür, daß er die verräterische Botschaft an der Höllenpforte abgibt.«
»Ich verstehe.«
»Dafür benötigt Ihr nur Euren Dolch. Euer Schwert könnt Ihr dort liegenlassen, Ademar wird es jetzt brauchen.«
Ademar schluckte. »Was …?«
Der Graf erhob sich. Er zog sein dunkles Wams straff, daß das Leder knackte, und machte eine auffordernde Kopfbewegung zu
der Ecke hin, in die das Schwert des Büttels geflogen war. »Bewaffnet Euch! Ihr wollt doch nicht wehrlos sein, wenn Euch meine
Klinge begegnet.«
Der Wind pfiff immer noch sein wildes Lied, als Ademar durch die Stadt zurück zum Bischofshof schlich. In der Ferne grollte
Donner, und es tropfte von den Dächern auf die Gasse herab. Ademars Rechte umklammerte eine Silbermünze, seine Linke preßte
sich auf eine Schnittwunde am Oberarm. Er fror erbärmlich in seinen nassen Kleidern.
[ Menü ]
|114| 9. Kapitel
Zahlreiche Wochen vergingen mit müdem, schleppendem Studium, und Germunt konnte gerade einmal stockend buchstabieren. Ein
Streit mit dem Bischof war es, der seine Wißbegier wie Peitschenknallen einen faulen Gaul auf Trab brachte.
Biterolf hatte seinen Schüler in den Palast geschickt, um wegen eines Briefes an Nibridius, den Erzbischof von Narbonne, eine
Rückfrage zu stellen. Dort fand Germunt Nibridius’ Boten vor, der auf einer Fensterbank saß und seine Kutte flickte.
»Verzeiht«, sprach er ihn an, »ist Euer Herr nur Erzbischof von Narbonne oder gleichzeitig Abt von …«
»Lagrasse. Richtig.«
»Wie schreibt sich das?«
Der Bote blickte ein wenig verdutzt von seiner Nadel auf, buchstabierte dann aber: »L – A – G –«
In diesem Moment öffnete sich eine Tür, und Claudius betrat den Raum. Er bat Germunt in sein Privatgemach, sobald er die nötigen
Antworten erhalten habe.
Eilig bedankte sich Germunt und folgte dem Bischof. Er hatte kaum die Tür hinter sich geschlossen, da wurde er schon angesprochen.
»Wie kommt Ihr voran?«
»Womit, Euer Ehrwürden?«
»Ganz allgemein, mit dem Studium, mit Lesen, Schreiben, Rechnen …«
»Ich helfe Biterolf, wo ich kann.«
Einen Moment herrschte Stille. »Das war nicht meine Frage.«
Germunt sah ungeduldig zum Fenster hinüber.
|115| »Lest Ihr viel, seid Ihr wißbegierig, übt Ihr Euch?« Ein vorsichtiges Drohen lag in der Stimme des Bischofs.
Germunt schwieg.
Er wurde lauter. »Warum nicht, zum Donnerwetter?«
»Weil ich keinen Sinn darin sehe. Meistens zumindest.« Germunt richtete seinen Blick starr auf einen Baum, den er durch den
Fensterbogen hindurch sehen konnte.
»Du siehst keinen Sinn darin? Keinen Sinn? Verstehst du denn nicht, welche Möglichkeit du hier geboten bekommst? Du bist undankbar
und faul, das ist es.«
Nun blitzten auch Germunts Augen auf. Er richtete sie in der Furchtlosigkeit der Wut auf das Gesicht des Bischofs. »Ich lasse
mein Leben nicht durch Euch bestimmen, nur weil Ihr mich gesund pflegen lassen habt, um Euer Gewissen zu beruhigen!«
Der Bischof sprang auf. »Ich bestimme dein Leben? Ich erwarte, daß du selbst Verantwortung für dich übernimmst, das ist alles!
Aber du scheinst das ja noch nicht gelernt zu haben. Vielleicht lernst du es nie.«
Germunt wich Claudius’ bohrendem Blick aus. »Ihr wollt mich zu einem Geistlichen machen? Vergeßt es.«
»Ich werde dich im Trivium unterrichten lassen, danach im Quadrivium. Dann bist du frei. Du mußt keine geistliche Laufbahn
einschlagen.«
»Gut.«
Ich muß nicht Geistlicher werden? Warum will er, daß ich lerne?
Dieser Bischof war ein Geheimnis. »Und ich werde nicht gezwungen hierzubleiben?«
»Nein.«
Warum tut Ihr das?
Germunt fühlte die Frage auf seiner Zunge lasten, aber er wagte es nicht, sie zu stellen. Konnte es sein, daß er sich getäuscht hatte?
Der Kantabrier hat Mutter verstoßen, als sie Hilfe brauchte. Aber damals im Kloster, als ich wütend wurde und zu fluchen begonnen
habe, hat sie da nicht versucht, mich zu besänftigen? Hat sie nicht den Kantabrier sogar verteidigt? Vielleicht ist er letzten
Weitere Kostenlose Bücher