Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
Vom Netzwerk:
berechnet! Es wird Euch möglich sein, Brücken zu planen und die Größe eines beliebigen Platzes zu ermitteln!«
    »Wunderbar. Für heute reicht es mir, daß ich einem Fremden anzeigen kann, wie viele Silberstücke er mir seit Jahren schuldet.«
    »Gut, nehmen wir an, er schuldet Euch 135 Silberstücke.« Biterolf schien auf einen ernsthaften Pfad zurückkehren zu wollen.
    »Was tue ich, wenn er blind ist? Dann kann ich ihm die Finger nicht zeigen!«
    »Germunt!« Ungeduldig hielt der Notar seine Finger in die Höhe. »Einhundertfünfunddreißig?«
    »Ich zeige Euch zehn Zahlen, wenn Ihr mir verratet, warum man die Blinde hier so selten sieht.«
    »Stilla ist bei Odo, dem Rechtsgelehrten. Er braucht ihre Hilfe, weil seine Magd erkrankt ist.«
    »Wo lebt der Gelehrte?«
    »Er bewohnt eine alte Steinvilla am Rand der Stadt, gleich bei der Straße nach Pavia.«
    »Steht er in den Diensten des Bischofs?«
    »Einhundertfünfunddreißig.«
    »Ich meine, ist er verpflichtet, ihm zu dienen? Hat er die Villa von ihm erhalten?«
    »Germunt: Einhundertfünfunddreißig.«
    »Bitte, nur noch diese Frage!«
    »Nein. Einhundertfünfunddreißig.«
    Biterolf schien unerbittlich. War das Nein nun eine Antwort auf seine Frage gewesen oder die Verweigerung, sie zu beantworten?
     Mit dem Ausdruck höchster Anstrengung hob Germunt seine Hände in die Höhe und bemühte sich, einem Fremden 135 Silberstücke
     zu entlocken.
     
    Früh am nächsten Morgen wurde er von Biterolf zum Krämer am Markt geschickt, um neue Gänsefedern zu erwerben. »Wenn wir die
     alten weiter anspitzen, haben wir bald |125| nur noch Stummel in der Hand. Geht zum Markt und tauscht von den Eiern ein, soviel gefordert wird. Wie soll man ohne anständiges
     Werkzeug gute Arbeit leisten?«
    Schon als er durch das Hoftor lief, war sich Germunt bewußt, daß er einen Abstecher zu Odos Villa machen würde. Aber wie sollte
     er seinen Besuch begründen? Biterolf habe ihn gebeten, nach dem Rechten zu schauen? Der weise Mann würde das niemals glauben.
Was war denn sein wahrer Grund? Ich möchte Stilla wiedersehen, das kann ich mir ruhig eingestehen.
Germunt beugte sich über einen Trog am Straßenrand und betrachtete sein Spiegelbild im Wasser. Mit unzufriedenem Blick fuhr
     er sich durch die fingerlangen Haare. Dann hielt er inne.
Wie gut, daß sie blind ist.
– Er rügte sich für den Gedanken.
    »Wunderschöne Schachteln aus feinstem Holz!« Der Böttcher kam hoffnungsstrahlend aus seiner Werkstatt geeilt.
    »Nein, danke.«
    »Euer Mädchen würde Euch ewig dankbar sein für ein solches Geschenk.«
    Gute Menschenkenntnis,
dachte Germunt, während er weitereilte. In dem Trog waren keine Späne eingeweicht. Ob der Böttcher ihn nur deshalb an den
     Straßenrand gestellt hatte, um die jungen Männer abzufangen, die sich vor einer Begegnung mit einem Mädchen im Wasser betrachten
     wollten? Ein aberwitziger Gedanke.
    Wenn Germunt zwischen zwei Häusern hindurch auf Ruinen blickte und den stinkenden Unrat sah, der dort unter Fliegenschwärmen
     faulte, drängte es ihn, sich auf die Suche nach dem verlorenen Brief zu machen. Was hatte seine Mutter dem Bischof geschrieben?
Würde ich den Brief jetzt finden, ihr Verbot wäre mir einerlei, und ich würde ihn lesen. Aber es ist aussichtslos. Was brennbar
     ist, wird verbrannt.
Es mochte sogar sein, daß sich der Brief unter den abgeschabten Pergamenten befand, die von Zeit zu Zeit für erneutes Beschreiben
     von Biterolf erworben wurden.
Sollte ich Adia je im Leben wiedersehen, frage ich sie, was im Brief stand.
    |126| Die Straße nach Pavia war gut befahren. An einer Ecke schimpfte der Fahrer eines Ochsenwagens, der Weinfässer geladen hatte,
     auf einen hageren Alten ein. Dessen Esel war nicht bereit, den holzbeladenen Karren weiterzuziehen, der dem breiten Ochsenwagen
     im Wege stand. Der Alte streichelte seinem Esel ruhig über das Fell, während der wütende Weinfahrer etwas von Stockhieben,
     Tritten und Peitschenschlägen schrie.
    Durch solcherlei Anblicke war Germunt abgelenkt. Obwohl er sich ermahnte, daß er einen guten Einstiegssatz brauchen würde,
     stand er schließlich ohne Idee vor drei steinernen Ruinen, die wohl einmal prachtvolle Villen gewesen waren. Eine von ihnen
     mußte Odo und die hübsche Stilla beherbergen. Unsicher drückte er sich vor dem Tor der ersten herum.
    In einem Fenster erschien ein grauhaariger Frauenkopf und krächzte: »Was wollt Ihr? Wir kaufen nichts!«
    »Verzeihung, wohnt hier der

Weitere Kostenlose Bücher