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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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flüsterte: »Ver zeiht , ist das Abt Theodemir?«
    »In der Tat«, flüsterte der andere zurück. »Ihr seid nicht von hier, oder?«
    »Nein.« Germunt richtete sich auf. Er sah, daß das Augenpaar des Abtes auf ihm lag.
Laß dich nicht einschüchtern,
befahl er sich und drehte ihm den Rücken zu. Während er zu seinem Bündel zurücklief, schoß ihm durch den Kopf, daß er damit
     den Abt erzürnen mußte, einen jungen Abt, der darauf bedacht war, wie ein würdiger Alter behandelt zu werden.
Wenn er hört, wer mich sendet, wird sein Gesicht sich aufheitern,
beruhigte sich Germunt. Er hob den Brief von seinem Schemel auf und hinkte zum großen Tisch zurück.
    Der Abt hatte die Augen zusammengekniffen und ließ ihn mit seinem Blick nicht los.
Ich trage ein Schreiben bei mir vom Bischof von Turin, dem Freund des Kaisers.
Germunt preßte die Zähne aufeinander.
Falsche Worte. Gehe ich zum Abt hinüber, oder bleibe ich vor dem Tisch stehen?
Noch während er sich das fragte, hielten seine Beine ihn fest.
Ich
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muß jetzt etwas sagen. Jetzt.
Die Mönche sahen ihm entgegen , manche mit erhobenen Brauen.
    »Ehrwürden.« Germunt räusperte sich. Schamesröte schoß ihm ins Gesicht, und sein Kopf war plötzlich vollkommen leer; keine
     Ideen, keine Gedanken, nur Hilflosigkeit. »Kennt Ihr einen Claudius?«
    Der Abt merkte auf. »Den Kantabrier?«
    »Den Bischof von Turin.«
    »Ja, dort ist er inzwischen. Ich kenne ihn.«
    Warum glänzten Theodemirs Augen nicht? In seinen Zügen spiegelte sich kein freundliches Erinnern wider.
    »Ich bringe Euch einen Brief von ihm.«
    Es herrschte Schweigen. Der Abt musterte Germunt von Kopf bis Fuß, schürzte ein wenig die Unterlippe. Dann neigte er seinen
     Kopf vor. »Nun?«
    Germunt ging zur anderen Seite des Tisches. Er hatte das Gefühl, alle würden sein verkrüppeltes Bein anstarren.
    Theodemir sah kurz auf das Siegel, dann erbrach er es und entfaltete das Pergament. Seine Augen flogen über die Seite. Er
     nickte kurz. »Ihr nächtigt hier? Dann gebe ich Euch morgen früh eine Antwort mit.«
    Das Mädchen stellte einen Becher und ein flaches Brot in seiner Nähe auf den großen Tisch. »Ihr wolltet eine Mahlzeit.«
    Germunt schluckte. »Nein, mein Tisch ist –«
    »Das ist in Ordnung«, fiel ihm der Abt ins Wort. »Setzt Euch zu uns. Dort ist noch ein Schemel frei.«
    Germunt nahm Platz. Er starrte auf sein Essen hinab. »Ehrwürden, Claudius hat mich gebeten, Euch nach seinem Kommentar zum
     ersten Korintherbrief zu fragen. Ihr habt das Buch schon eine Weile, und er wüßte gern, was Ihr darüber denkt.«
    »Jaja, Claudius und seine Bibelauslegung. Überall ist er bekannt geworden, Spanien, Italien, Gallien.« Theodemir schwieg einen
     Moment. »Ich habe es natürlich alles gelesen. Er bekommt es zurück … bald.«
    |161| Stille.
    »Leert Eure Becher. Wir begeben uns in den Schlafsaal.« Theodemir erhob sich.
    Ein Bierschlürfen und Schemelschieben setzte ein. Germunt saß reglos. Sein Hunger war ihm vergangen.
    Im Vorbeigehen neigte sich einer der Mönche zu ihm herab und raunte: »Macht Euch keine Gedanken. Morgen ist alles vergessen.«
    Was? Was ist vergessen? Habe ich etwas Falsches gesagt?
Germunt drehte sich um, aber der Mann war verschwunden. Bald war der Schankraum nahezu leer. Germunt saß allein an der riesigen
     Tafel, und auch in der anderen Hälfte des Raumes hatte sich die Zahl der Gäste vermindert. Ab und an erhob sich einer der
     Verbliebenen und schlurfte durch die große Tür, die wohl zum Schlafsaal führte.
    Mit Mühe würgte Germunt das Brot hinunter. Der Wein schmeckte sauer. Das sollte die versprochene Gastfreundschaft sein? Auf
     diesen Tag hatte er sich während des zähen Voranhumpelns gefreut. War an diesem Mann etwas, das Claudius sah, aber er, Germunt,
     noch nicht bemerkt hatte? Wie konnte er sonst seinen Schüler so schätzen!
    Sobald er aufgegessen hatte, nahm er sein Bündel und den Stock und lief so leise wie möglich in den Schlafsaal. Eine einzige
     Fackel brannte dort und warf hilflos flackernd ein trübes Licht auf die Strohsäcke und die reglosen Gestalten, die auf ihnen
     ruhten. Die Luft war dick und machte müde. Germunt suchte sich einen freien Platz in der Nähe des kleinen Wandlochs, durch
     das frische Nachtluft hereinströmte. Er ließ sich auf das Stroh sinken, plazierte das Bündel unter dem Kopf und schloß die
     Augen.
     
    Ein unaufhörliches Sirren kreiste in seinem Kopf, als er die Augen wieder öffnete. Der Mund war

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