Der Kalligraph Des Bischofs.
Durcheinander kam ein dunkler Schatten auf ihn zu. Ein warmer Schauer überlief Germunt, als Farro an ihm aufsprang,
ihm die Pfoten gegen die Brust drückte, das Maul geöffnet, die Zunge ein erfreut tanzender, roter Lappen. »Ja«, Germunt sagte
es langgezogen, beruhigend. »Ja.«
Farro landete mit den Vorderpfoten auf dem Boden, fuhr mit der Nase an Germunts Hose hinauf. Während die feuchte Nase zuckte,
stieß er mit geschlossenem Maul hohe Seufzer aus. Schließlich beleckte er Germunts Finger, schnaubte warme Luft in den halbgeöffneten
Handraum, leckte weiter.
»Jetzt soll ich dir das alles erklären, ja? Um ehrlich zu sein, ich kann es auch nicht, Farro. Aber es ist gut, daß du hier
bist. Geht es Biterolf gut? Hast du auf ihn aufgepaßt, wie ich es dir gesagt habe?«
Der Hund trat einen halben Schritt zurück und sah zu Germunt hinauf. Im Hundegesicht zuckten die Augenbrauen. Farro beobachtete
ihn so genau, als erwarte er einen Befehl, einen geworfenen Stock oder einen Tadel.
Auf dem Dach des Hühnerstalls hockte der kleingewachsene Swabo und flickte die Löcher mit Stroh. Niemand beachtete Germunt.
Die Dienstleute und Knechte gingen mit ernsthaften, ruhigen Gesichtern ihren Pflichten nach, trugen Lasten hin und her, sattelten
Pferde. Schließlich hörte er hinter sich eine erstaunte Stimme: »Germunt?«
Als er sich umdrehte, streckte Biterolf die Arme aus und ließ ein Bündel Pergamente achtlos in den Staub fallen. Die beiden
umarmten sich.
Es tut gut, es tut einfach gut,
dachte Germunt.
Nach der langen Reise … Die Monate in der Ferne …
Als sich Biterolf aus der Umarmung lösen wollte, drückte Germunt noch einmal fest zu. Dann ließ er los. »Ich bin froh, daß
du wohlauf bist.«
In Biterolfs Augen schimmerte es, wie nach einem Regen die Dächer funkeln. »Ich freue mich, dich wiederzusehen.« Natürlich
wußte der Notar genau, daß sie nie »du« zueinander |241| gesagt hatten. Die Männer lächelten sich an. »Hast du … War es … gut? Ach, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll!«
»Ich auch nicht.« Germunt lachte. »Himmel, es ist schön, dich zu sehen!«
»Und ob, und ob.« Plötzlich erstarb Biterolfs Lächeln und machte einem sorgenvollen Zug Platz. »Deine Heimkehr nach Turin
wird dir nicht gefallen. Alle kennen deine Geschichte, wissen, warum du hierher geflohen bist. Und es gibt wenige, die die
Haltung des Bischofs teilen, der dich unbehelligt an seinem Hof haben möchte.«
Alles, was eben nah gewesen war, entfloh in weite Ferne. Germunt spürte Kälte in sich, nicht heiße Angst, sondern kalte Gewißheit.
»Meine Geschichte …«
»Ein Spielmann hat sie nördlich der Alpen gehört und hier gesungen. Du mußt dir keine Gedanken machen, er hat geschworen,
niemandem deinen Aufenthaltsort zu verraten. Aber die anderen hier … Irgend jemand muß die Beratung belauscht haben. Sie haben
sich offen gegen Claudius’ Entscheidung ausgesprochen. Der Bischof ist so zornig geworden, daß er Ato, Thomas und einige andere
hat einsperren lassen. Mit dem heutigen Tag sind es sechs Wochen. Nur noch wenige halten zu Claudius, auch wenn es kaum jemand
sagt.«
Germunt mußte sich zwingen zu sprechen. Seine Stimme klang matt. »Was machen die bärtigen Krieger hier?«
»Die Sarazenen sind an der Küste eingefallen. Der Bischof bricht morgen in aller Frühe auf. Manche hoffen, daß er nie zurückkehrt.
Sie tun diesem Mann großes Unrecht.«
»Das denke ich auch. Können wir ihm helfen?«
»Er hat so viel für dich eingesetzt. Wenn du jetzt gehen würdest, weil man dich anfeindet, dann hätte er verloren. Es geht
nicht um dich. Da mischen sich verschiedene Schwierigkeiten. Godeoch hetzt die Stadt auf, und ich muß zugeben, Claudius bringt
manchmal merkwürdige Lehren auf die Kanzel. Trotzdem ist er ein herausragender Mann. Es ist traurig zu sehen, wie gegen ihn
gearbeitet wird.«
|242| Germunt drehte sich schweigend zum Hof um.
»Wirst du bleiben?«
»Ich habe viel gelernt. Ich möchte es dir zeigen.«
»Wunderbar. Du solltest versuchen, daß die anderen dich so selten wie möglich sehen. Du kannst in der Schreibstube schlafen,
und ich werde Eike um die Erlaubnis bitten, daß du dir dein Essen bei den Mahlzeiten selbst aus der Küche holen darfst. Sie
werden wissen, daß du hier bist, aber wenn du ihnen aus dem Weg gehst, haben sie keine Gelegenheit, dir Kleinigkeiten anzuhängen,
um sich auf dich zu stürzen.«
»Ich bin es gewohnt, abseits
Weitere Kostenlose Bücher