Der Kalligraph Des Bischofs.
Feinden hier nicht, daß ich mich von den
Sarazenen erschlagen lasse. Seid ohne Sorge, ich kenne ihre Kampfart und Denkweise genau. Ich werde zurückkommen.«
Ein bärtiger Krieger ritt an Claudius’ Seite und maß Germunt mit einem prüfenden Blick von Kopf bis Fuß.
Germunt fühlte sich plötzlich verpflichtet, dem Gespräch eine unpersönliche Wendung zu geben. »Ihr könnt Euer Pferd aus dem
Schenkel leiten, nicht wahr? Ihr habt die Zügel gar nicht in den Händen.«
»So ist es. Ihr seid furchtlos, Germunt. Obwohl sie Euch |245| einmal fast das Leben genommen hat, weicht Ihr nicht vor ihr zurück wie manch andere hier, die sie nie zu spüren bekommen
haben.«
Man hörte einen Moment nur das Getrappel und Scheppern der Reiter im Hof, dann wendete der Bischof sein Pferd. »Lebt wohl.«
»Lebt wohl.«
Eine Umarmung mit Biterolf folgte, dann stand Germunt reglos, während sich der Hof leerte. Die Krieger ritten aufrecht durch
das Tor hinaus, sahen mutig voran. Vielleicht mußten sie ihre Angst verbergen, waren sich nicht sicher, ob sie diesen Hof
noch einmal wiedersehen würden. Niemand scherzte oder lachte.
Als Germunt zurück in die Schreibstube trat, fiel sein Blick auf das Bündel, das er während seiner Reise getragen hatte. Ein
furchtbarer Schrecken ergriff ihn und formte sich zu einem Schrei: »Claudius!«
Durch die Tür fiel der Schatten des Kanzlers. »Was ist los?«
»Ich habe einen Brief vom Abt Theodemir bei mir. Ich muß ihn Claudius geben!«
»Dann erhält er ihn, wenn er zurückkehrt. Macht Euch keine Sorgen.«
»Nein!« Germunt fuhr herum. »Wir müssen ihm nach!«
»Was schreit Ihr so? Es ist nur ein Brief unter Freunden.«
Germunt spürte, wie ihn Schwindel ergriff. »Nicht unter Freunden, Kanzler, nicht unter Freunden.«
Eike lächelte und schüttelte den Kopf.
»Versteht Ihr denn nicht? Claudius vertraut Theodemir, richtig?«
»Aber natürlich tut er das! Die beiden sind unzertrennlich.«
»Ich habe ihn getroffen, diesen Mann. Sein Amt hat ihn verdorben. Er beneidet Claudius um seinen Ruhm; obwohl er sein Schüler
ist, redet er über ihn, als wäre er der Lehrer und müßte unserem Bischof Fehler nachweisen.«
|246| Der Kanzler streckte seine Hand nach Germunt aus. »Macht Euch keine Gedanken. Jeder Schüler regt sich einmal auf. Er wird
bald seine Grenzen erkennen.«
»Wir müssen Claudius warnen.«
»Warnen, daß sein Schüler schlecht über ihn redet? Ihr könnt ihm alles berichten, wenn er wieder in Turin ist. Jetzt hat er
andere Sorgen, weiß Gott. Wenn die Sarazenen sich aufs Reden beschränken würden, dann hätten wir gute Jahre.«
Kraftlos sank Germunt auf einen Schemel hinab. »Theo demir beschränkt sich auch nicht aufs Reden. Er hat die Auslegung vom ersten Korintherbrief an den Kaiserhof geschickt und läßt
sie dort von anderen Bischöfen prüfen. Versteht Ihr? Er versucht, Claudius zu stürzen!«
»An den Kaiserhof geschickt …« Eike fuhr nachdenklich mit den Fingerspitzen über seine Stirn. »Es wird niemandem schwerfallen,
in den Schriftstücken von Claudius abtrünnige Lehren zu finden.«
Sie schwiegen.
»Sollen wir ihm einen Boten nachsenden?«
Der Kanzler zögerte kurz. »Ich denke, besser nicht. Er braucht alle Kraft für den Kampf mit den Sarazenen. Wir würden ihn
unaufmerksam machen, betroffen, er würde mit den Gedanken hier in Turin sein oder am Kaiserhof, und das kann im Kampfgetümmel
sein Ende bedeuten. Wir sprechen mit ihm, wenn er wieder zurück ist. Vergeßt nicht, der Kaiser ist sein Freund von Jugend
auf. Er wird nicht auf die anderen hören.«
Germunt nickte. Vielleicht hatte sein Fehler etwas Gutes: Er hatte es dem Bischof ermöglicht, mit klarem Kopf in den Krieg
zu ziehen. Trotzdem blieb ein klammes Gefühl in Germunts Brust sitzen.
Die nächsten drei Tage war es sehr still zwischen Bischofspalast, Stall und Schreibstube. Da Claudius nicht anwesend war,
gab es nur wenig Schreibarbeit zu erledigen. Der Kanzler |247| tat sein Bestes, die Geschäfte am Laufen zu halten, aber seine Entscheidungsgewalt war beschränkt. Wenn doch eine geschäftliche
Urkunde geschrieben werden mußte, teilte sich Germunt die Arbeit ein. Zuerst schrieb er den Textkörper, dann nahm er sich
Zeit für die Initialen. Nie hatten die Turiner Pergamente so eindrucksvoll ausgesehen.
Manchmal zog sich Germunt mit Schriftstücken des Bischofs in eine Ecke der Schreibstube zurück und las darin. Er konnte nun
mit den
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