Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
Vom Netzwerk:
zu leben.«
    Biterolfs fragenden Blick beantwortete Germunt mit einem bitteren Lächeln. Er hob einige von den Pergamenten vom Boden auf
     und ging in die Schreibstube. Etwas drängte ihn, sich alles in Ruhe anzuschauen, die Luft einzuatmen und mit den Fingern über
     das Holz der Regale zu fahren, aber er sperrte sich dagegen. Er wollte sich nicht zu Hause fühlen.
    Mit einem festen Griff hob er das Schreibpult von seinem Platz und stellte es in das Sonnenlicht, das durch die Tür hereinfiel.
     Dann breitete er einen Pergamentfetzen aus, nahm sich ein Tonfäßchen mit Tinte und eine Feder und begann, feine Bögen auf
     die Tierhaut zu zeichnen. »Dazu bin ich hier«, murmelte er. Einen ganzen Winter lang hatte er nicht geschrieben.
    »Man sieht sofort, daß du die Feder anders führst«, hörte er hinter sich Biterolfs Stimme.
    Germunt schrieb schweigend einige unsinnige Sätze.
    »Erzähl mir von Tours. Hast du dort kluge Männer getroffen?«
    Als würde ich eine eiserne Kette um meine Stimme tragen,
dachte Germunt. Er konnte nicht antworten.
    »Wie war die Reise? Wie viele Wochen warst du unterwegs?«
    Germunt hörte Biterolf von weiter Ferne. Sein Blick flog dicht über das Pergament, sah dessen Unebenheiten, sah seine eigenen
     Finger, die den Gänsekiel hielten. Wieder und |243| wieder tunkte er ihn ein und formte die schwarz-braune Flüssigkeit zu Bögen und Strichen. Irgendwann hörte die Stimme auf
     zu sprechen.
     
    Als Germunt am nächsten Morgen die Augen aufschlug, sah er in Biterolfs sorgenvolles Gesicht. Die Lippen waren nicht so füllig
     wie sonst, sondern ein wenig zusammengekniffen, und die tiefgrünen Ringe in den braunen Augenseen schienen zu zittern.
    »Verzeih mir.« Germunt wich Biterolfs Blick aus. »Ich komme mit der … Ich weiß noch nicht recht, wie ich –«
    »Schon in Ordnung.« Biterolfs Stimme war weich wie das Fell zwischen Farros Ohren. »Wenn du Claudius noch mal sehen willst,
     komm auf den Hof. Wir brechen auf.«
    »Du gehst mit ihm?«
    »Ja, ich muß. Glaub mir, dem Anblick eines Schlachtfeldes würde ich gern entgehen. Aber Claudius sagt, er wird auch dort einen
     Notar brauchen. Kümmerst du dich ein wenig um Farro, während ich weg bin?«
    »Natürlich.«
    Germunt richtete sich mit Hilfe der Wand auf. Er fuhr sich mit den Händen durch das Haar, rieb sich die Augen und humpelte
     dann hinaus in die kühle Morgenluft.
    Der Hof war gefüllt mit Berittenen, Packpferden und Knechten. Vor dem Stall wichen angstvoll einige Jungen zurück, während
     Claudius die weiße Stute mit dem eigenartig gebogenen schmalen Kopf bestieg. Ein Mantel spannte sich um seine Schultern, rot
     wie Blut, und an seiner Seite hing ein gewaltiges Schwert. Ein Beil steckte auf der anderen Seite im Gürtel, und am Sattel
     war eine metallbeschlagene Keule befestigt. Während er etwas an seinem Gürtel richtete, steuerte Claudius sein Pferd in die
     Mitte des Platzes, ohne die Zügel in die Hände zu nehmen.
    Der Bischof musterte die Krieger. Sein Blick schweifte über den Hof und blieb an Germunt hängen. Überraschung zeigte sich
     auf Claudius’ sonnengegerbtem Gesicht. Er rief |244| einem der Reiter etwas zu, dann wendete er die edle Stute in Germunts Richtung und setzte sie in Bewegung. Germunt schluckte.
     Obwohl das Pferd sich in ruhigem Schritt bewegte, sah er es in Gedanken auf sich zugaloppieren, die Hufe im Wechsel dem Boden
     entgegendonnernd, die hellen Nüstern gebläht, Schaumflocken um das Maul. Er schloß kurz die Augen, dann öffnete er sie wieder
     und zwang sich stehenzubleiben. Die Stute hielt zwei Ellen vor Germunt an, er sah die astdicken Adern an ihrem Hals, die verzierten
     Eisenbeschläge am Zaumzeug. Um Claudius in die Augen sehen zu können, mußte er den Kopf in den Nacken legen.
    Beide Gesichter waren still. Germunt hatte das Gefühl, als könne er Wärme in dem Blau der anderen Augen sehen. Er versuchte,
     ebenfalls Wärme in seine Augen zu bringen.
    »Es ist gut, daß Ihr zurückgekommen seid.«
    »Ja.«
    »Ich werde Euch nicht anlasten, was Ihr auf der anderen Seite der Alpen getan habt. Andere werden es versuchen, aber Ihr steht
     unter meinem Schutz.«
    Wieder diese Frage.
Warum tut er das für mich?
Germunt dachte an den Brief seiner Mutter.
Warum hat er sie nicht so behandelt?
Claudius war ein unergründlicher Mann. »Ich danke Euch. Kehrt wohlbehalten von Eurem Kriegszug wieder.«
    Der Mund des Bischofs verzog sich zu einem Lächeln. »Den Gefallen tue ich meinen

Weitere Kostenlose Bücher