Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11
Anrufer seine Nummer zurückhält. Und dann heute Abend…«
»Was?«
»Hatte ich plötzlich das Gefühl, dass ich beobachtet werde.« Sie wies mit dem Kopf Richtung Fenster. »Von da drüben.«
Die Vorhänge waren geschlossen. Er ging hinüber, öffnete sie und blickte auf das Haus gegenüber. »Bleiben Sie hier«, sagte er dann.
»Natürlich hätte ich auch selbst hinübergehen können«, sagte sie, »aber…«
»Bin gleich zurück.«
Sie stand mit verschränkten Armen am Fenster. Hörte, wie unten die Tür zufiel, sah, wie Rebus die Straße überquerte. Bei seinem Eintreffen war er völlig außer Atem gewesen. Lag das nun an seiner schlechten Kondition, oder hatte er sich derart beeilt? Hatte er vielleicht ihretwegen sogar Angst gehabt? Sie überlegte, wieso sie ausgerechnet ihn angerufen hatte. Schließlich war der Gayfield Square nur ein paar Minuten entfernt. Die Kollegen dort wären ganz sicher sofort gekommen. Natürlich hätte sie auch selbst nachsehen können. Angst hatte sie jedenfalls keine. Aber solche mulmigen Gefühle verschwanden nun einmal am schnellsten, wenn man mit jemandem darüber reden konnte. Er war direkt unten in das Haus gegenüber marschiert. Sie sah, wie er im ersten Stock die Treppe hinaufging. Jetzt befand er sich im zweiten. Er blieb kurz stehen, presste sich gegen das Fenster und winkte ihr beruhigend zu. Dann stieg er noch ein Stockwerk höher und sah nach, ob sich dort jemand versteckt hatte. Anschließend ging er sofort wieder nach unten.
Als er wieder in die Wohnung trat, war er völlig außer Atem.
»Ich weiß schon«, sagte er und ließ sich auf das Sofa fallen, »ich sollte unbedingt mehr Sport treiben.« Er wollte gerade die Zigaretten aus der Tasche ziehen, als ihm einfiel, dass er bei ihr nicht rauchen durfte. Sie kam mit einem langstieligen Glas aus der Küche zurück.
»Leider kann ich Ihnen nur einen Schluck Rotwein anbieten«, sagte sie und schenkte ihm ein.
»Prost.« Er nahm einen großen Schluck und atmete dann schwer aus. »Die erste Flasche heute Abend?«, fragte er und bemühte sich, witzig zu klingen.
»Gespenster sehe ich jedenfalls noch keine«, sagte sie. Sie kniete jetzt vor dem niedrigen Tisch und drehte das Glas in der Hand.
»Ich meine nur: Wenn man allein ist… Das ist nicht persönlich gemeint, mir geht es genauso.«
»Was meinen Sie? Dass man sich dann Dinge einbildet?« Ihr Gesicht hatte sich ein wenig dunkler verfärbt. »Und woher haben Sie es dann gewusst?«
Er sah sie an. »Was gewusst?«
»Ich möchte nur eines von Ihnen hören: dass nicht Sie mich beobachtet haben.«
Er machte den Mund auf, brachte jedoch zunächst keinen Ton heraus.
»Sie haben einfach die Tür zu dem Haus aufgestoßen«, erklärte sie. »Also haben Sie gewusst, dass sie nicht abgeschlossen ist. Dann sind Sie im zweiten Stock stehen geblieben. Etwa nur um Atem zu schöpfen?« Ihre Augen wurden etwas größer. »Dort hat nämlich auch dieser Mensch gestanden. Nicht in einem der angrenzenden Häuser, sondern genau im Haus gegenüber im zweiten Stock.«
Rebus blickte in sein Weinglas. »Ich war es jedenfalls nicht«, sagte er.
»Aber Sie wissen, wer es ist.« Sie dachte kurz nach. »Ist es Derek?« Sein Schweigen sagte alles. Sie stand vom Boden auf und ging in dem Zimmer auf und ab. »Wenn ich den Kerl zu fassen kriege…«
»Passen Sie mal auf, Siobhan…«
Plötzlich drehte sie sich um und sah ihn an. »Und woher haben Sie das gewusst?«
Ihm blieb keine andere Wahl, als ihr die Geschichte zu erzählen. Noch bevor er ganz damit fertig war, schnappte sie sich das Telefon und tippte Linfords Nummer ein. Als am anderen Ende jemand abhob, kappte sie die Verbindung. Plötzlich ging
ihr Atem schwer.
»Darf ich Sie was fragen?«, sagte Rebus.
»Was?«
»Haben Sie 1471 vorgewählt?« Sie sah ihn erstaunt an. »Die Vorwahl muss man nämlich eingeben, wenn man bei einem Anruf die eigene Nummer nicht preisgeben möchte.«
Sie war noch immer reichlich verwirrt, als das Telefon klingelte.
»Ich hebe nicht ab«, sagte sie.
»Und wenn es gar nicht Derek ist?«
»Ich lass einfach den Anrufbeantworter laufen.«
Nach dem siebten Klingeln schaltete sich das Gerät ein. Zuerst ihre Ansage, dann wurde die Verbindung unterbrochen.
»Arschloch!«, fauchte sie. Sie nahm wieder das Telefon, wählte die 1471, hörte schweigend zu und legte das Telefon dann wieder auf die Station.
»Nummer zurückgehalten?«, sagte Rebus.
»Was will der Kerl denn überhaupt?«
»Er ist
Weitere Kostenlose Bücher