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Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11

Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11

Titel: Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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sagte, er könne sie jederzeit anrufen, egal, um welche Uhrzeit. Trotzdem fand er es jetzt zu spät. In dem Zimmer neben ihr schlief schließlich auch noch jemand, den er vielleicht durch seinen Anruf aufwecken würde. Und Sammy selbst brauchte ebenfalls unbedingt ihren Schlaf. Schließlich hatte das Mädchen einen strikten Tagesablauf: ständig irgendwelche Untersuchungen und Therapien. Auf die Frage nach ihrem Befinden hatte sie gesagt: »Ich komm schon klar« – ihre Art, ihm mitzuteilen, dass sie nur langsame Fortschritte machte.
    Ja, langsame Fortschritte: Damit kannte er sich aus. Aber trotzdem waren die Dinge für ihn plötzlich in Bewegung gekommen. Er hatte das Gefühl, mit einer Binde vor Augen am Steuer eines Autos zu sitzen, während die übrigen Insassen pausenlos auf ihn einredeten. Sicher gab es auf dem Weg, der vor ihm lag, jede Menge Vorfahrtsschilder und Einbahnstraßen, aber darum konnte er sich nicht kümmern. Und Sicherheitsgurte gab es in dem Auto auch keine, und Rebus war ein rasanter Fahrer.
    Er stand auf und legte eine Tom-Waits-CD ein. Blue Valentine, das der Sänger noch kurz vor seinem Zusammenbruch eingespielt hatte. Bluesig und zerknautscht und aus einem Guss. Ja, Waits kannte die Schattenseiten des Daseins. Vielleicht ein bisschen affektiert, wie er sang, aber die Texte kamen von Herzen. Rebus hatte ihn einmal auf der Bühne gesehen. Ganz sicher ein Selbstdarsteller, trotzdem hatten seine Texte nichts Verlogenes. Der Mann verkaufte schlicht eine Version seiner selbst, die er seinem Publikum in einer ansprechenden Verpackung offerierte. Ja, das musste man können, wenn man als Popstar oder Politiker nach oben kommen wollte. Auch erfolgreiche Politiker konnten sich ja inzwischen so etwas wie eine eigene Meinung oder Persönlichkeit nicht mehr leisten. Bauchredner waren sie. Und selbst ihre – farblich genau auf ihren Typ abgestimmten – Kleider ließen sie von anderen auswählen. Auch Seona Grieve war wahrscheinlich so eine. Leute mit einem eigenen Kopf hatten es schon immer schwer gehabt, und Seona Grieve war ganz sicher zu ehrgeizig, um sich auf irgendwelche Risiken einzulassen. Ja, die Dame verstand es sogar, sich ihre Zeit zwischen harter Arbeit und Trauer genau einzuteilen. Mit Linford hatte er mal im Spaß über die Verdachtsmomente gegen die Witwe gesprochen. Ein Motiv konnte man ihr wenigstens unterstellen. Aber dass sie ihren Mann tatsächlich umgebracht hatte, war nicht sehr wahrscheinlich. Jedenfalls konnte er sich Seona Grieve nicht mit einem schweren Hammer vorstellen. Andererseits wäre es natürlich gerade deshalb besonders schlau von ihr gewesen, eine solche Waffe zu verwenden: einen Gegenstand, den niemand mit ihr in Verbindung brachte.
    Während Linford streng nach Vorschrift auf der Autobahn der üblichen Ermittlungsprozeduren dahinfuhr, hatte Rebus sich auf allerlei Abwege begeben. Aber was war, wenn der Fred-dy-Hastings-Selbstmord mit dem Mord an Roddy Grieves überhaupt nichts zu tun hatte? Vielleicht stand dieser Suizid ja nicht einmal mit der Leiche in Queensberry House in Verbindung. Jagte er – Rebus – vielleicht Schatten hinterher, die genauso ungreifbar waren wie die Gebilde, die die Scheinwerfer der Autos, die unten auf der Straße vorbeifuhren, an die Wände seiner Wohnung zauberten? Auf der Tom-Waits-Platte war gerade ein Stück zu Ende, als das Telefon läutete. Er schrak zusammen.
    »Ich bin's«, sagte Siobhan Clarke. »Ich glaube, dass jemand mich beobachtet.«
    Rebus läutete unten an der Tür. Sie wechselten ein paar Worte über die Sprechanlage, bevor sie ihn ins Treppenhaus ließ. Als er oben ankam, stand die Tür schon offen.
    »Was ist passiert?«, fragte er. Sie führte ihn ins Wohnzimmer. Merkwürdigerweise war sie wesentlich ruhiger als er selbst. Auf dem Couchtisch stand eine Flasche Wein, von der ein Drittel fehlte. Daneben ein fast leeres Glas. Offenbar hatte sie indisch gegessen, der unverkennbare Geruch hing noch in der Luft. Trotzdem nicht mal ein schmutziger Teller, alles schon wieder aufgeräumt.
    »Schon seit einiger Zeit bekomme ich diese Anrufe.«
    »Was für Anrufe?«
    »Jemand ruft an und hängt dann ein. Zwei- oder dreimal täglich. Wenn ich nicht da bin, registriert sie der Anrufbeantworter. Wer es auch sein mag, jedenfalls wartet der Anrufer, bis das Gerät sich einschaltet.«
    »Und wenn Sie da sind?«
    »Genau das Gleiche: Die Leitung ist plötzlich tot. Ich hab schon die 1471 angerufen, aber dort heißt es nur, dass der

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