Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11
unbedingt das Gleiche.«
»Wie meinen Sie das?«
»Es ist doch allgemein bekannt, dass Linford und ich nicht gerade die dicksten Freunde sind. Und dann komme ich daher und behaupte, dass ich ihn beim Spannen erwischt habe. Offenbar wissen Sie nicht, wie so etwas in der Zentrale läuft, Siobhan.«
»Sie meinen, dass sie dort ihre eigenen Leute schützen?«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Jedenfalls würden die Herrschaften dort es sich zweimal überlegen, ob sie einem John Rebus eher glauben als einem künftigen Polizeipräsidenten.«
»Ist das der Grund, weshalb Sie mir nichts von der Sache erzählt haben?«
»Kann sein.«
Sie drehte sich wieder um. »Und wie möchten Sie Ihren Kaffee?«
»Schwarz.«
Von Derek Linfords Wohnung blickte man direkt auf das Dean Valley und das kleine Flüsschen Water of Leith. Er hatte zwar einen günstigen Kredit aufgegabelt – nicht zuletzt, weil er die Fettes-Karte voll ausgespielt hatte –, trotzdem machten ihm die hohen monatlichen Ratenzahlungen schwer zu schaffen. Und dann war da noch der BMW. Er hatte also eine Menge zu verlieren.
Er war schweißgebadet, deshalb zog er seinen Mantel und sein Hemd aus. Ja, sie hatte ihn an dem Fenster gesehen und dann telefoniert. Und dann war er weggerannt und wie ein Verrückter nach Hause gerast und dort die Treppe hinaufgehetzt. Als er die Tür zu seiner Wohnung aufschloss, läutete gerade sein Telefon. Er schnappte sich den Hörer. Sein erster Gedanke: Das ist sicher Siobhan! Sie hat jemanden gesehen, und jetzt ruft sie mich an, damit ich ihr helfe. Als er auf den Empfangsknopf drückte, wurde die Verbindung plötzlich beendet. Doch auf seinem Display konnte er sehen, dass es tatsächlich Siobhan gewesen war. Er rief sie sofort zurück, sie hob aber nicht ab.
Er stand zitternd am Fenster, ohne etwas von der schönen Aussicht mitzubekommen… Sie weiß, dass ich es war! Immer wieder dieser eine Gedanke. Außerdem hätte sie ohnehin nicht ihn um Hilfe gebeten, sondern Rebus. Und natürlich hatte Rebus ihr alles erzählt. Natürlich hatte er das.
»Sie weiß Bescheid«, sagte er laut. »Sie weiß es, weiß es, weiß es.«
Er ging im Wohnzimmer auf und ab und schlug sich mit der rechten Faust immer wieder in die linke Hand.
Für ihn stand so viel auf dem Spiel.
»Nein«, sagte er und schüttelte den Kopf. Allmählich wurde sein Atem wieder ruhiger. »Nein, das alles hier lasse ich mir nicht nehmen. Für nichts und für niemanden. Dafür habe ich nicht jahrelang gearbeitet, Überstunden gemacht, Wochenenddienste geschoben, Kurse belegt und Bücher gelesen.«
»Nein«, sagte er wieder. »Das lass ich mir nicht nehmen.«
Jedenfalls nicht, wenn es sich irgend vermeiden ließ.
Nicht ohne bis zum Letzten dafür zu kämpfen.
Cafferty erhielt einen Anruf oben in seinem Zimmer. Unten in der Bar gab es angeblich Ärger. Er zog sich an, fuhr nach unten und sah, dass Rab am Boden lag und von zwei Barmännern und einigen Gästen festgehalten wurde. Ein Stück entfernt saß ein zweiter Mann mit gespreizten Beinen auf dem Boden. Er blutete aus der Nase, hielt sich aber ein Ohr, aus dem er ebenfalls blutete. Er kreischte, dass jemand die Polizei verständigen sollte. Neben ihm kniete seine Freundin.
Cafferty sah ihn an. »Sie brauchen einen Krankenwagen«, sagte er.
»Das Schwein hat mich ins Ohr gebissen!«
Cafferty ging vor dem Mann in die Hocke, hielt ihm zwei Fünfziger vor die Nase und schob sie ihm dann in die Brusttasche. »Einen Krankenwagen«, wiederholte er. Die Freundin verstand den Hinweis und erhob sich vom Boden, um ein Telefon zu suchen. Dann ging Cafferty zu Rab hinüber, hockte sich neben ihn und fasste ihn bei den Haaren.
»Rab«, sagte er, »was zum Teufel hast du hier nur angestellt?«
»Wollte nur 'n bisschen Spaß haben, Big Ger.« An seinen Lippen klebte noch Blut von dem Ohr des Mannes.
»Scheint so, als ob die anderen Leute hier in dem Raum das anders sehen«, sagte Cafferty.
»Ist doch öde, wenn man keinen Spaß hat.«
Cafferty sah ihn schweigend an. »Wenn du solche Sachen anstellst«, sagte er dann leise, »weiß ich nicht, was ich mit dir machen soll.«
»Ist doch egal«, sagte Rab.
Auch diese Auskunft beschied Cafferty zunächst mit Schweigen. Er sagte zu den Männern, sie könnten Rab jetzt loslassen. Vorsichtig leisteten sie ihm Folge. Rab hatte offenbar nicht die Absicht aufzustehen. »Helfen Sie ihm doch bitte mal«, sagte Cafferty zu den Männern. Er hatte ein Bündel Geldscheine in der
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