Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11
gekränkt, Siobhan. Manche Leute reagieren merkwürdig, wenn sie auf Ablehnung stoßen.«
»Klingt, als ob Sie mit ihm sympathisieren.«
»Überhaupt nicht. Ich suche nur nach einer Erklärung.«
»Da kriegt man eine Abfuhr, und dann fängt man an, dem anderen nachzuspionieren.« Sie nahm ihr Weinglas und führte es ein paarmal hastig zum Mund, während sie nervös im Zimmer auf und ab ging. Plötzlich fiel ihr auf, dass die Vorhänge noch offen waren, und sie ging rasch hinüber und schloss sie.
»Kommen Sie, beruhigen Sie sich schon«, sagte Rebus. »Wir können ja morgen früh mit ihm sprechen.«
Als sie ihre Fassung einigermaßen zurückgewonnen hatte, setzte sie sich neben ihm auf das Sofa. Er wollte ihr etwas Wein nachgießen, aber sie lehnte ab.
»Schade um den schönen Wein«, sagte er.
»Sie können ihn ja austrinken.«
»Möchte ich aber nicht.« Sie sah ihn an und er lächelte. »Den halben Abend habe ich zu Hause herumgesessen und in mir den Wunsch unterdrückt, noch was trinken zu gehen«, erklärte er.
»Wieso?«
Er zuckte bloß mit den Schultern, und sie nahm ihm die Flasche aus der Hand. »Dann bringen wir das Zeug am besten aus der Gefahrenzone.«
Als er in die Küche kam, goss sie den restlichen Wein gerade in den Abfluss.
»Ziemlich radikal«, sagte er. »Hätte der Kühlschrank nicht genügt?«
»Man trinkt Rotwein nicht gekühlt.«
»Sie wissen schon, was ich meine.« Er sah das saubere Geschirr im Abtropfkorb. Sie hatte alles direkt nach dem Abendessen gespült. Die Küche war weiß gefliest und blitzeblank. »Wir könnten kaum unterschiedlicher sein«, sagte er.
»Wieso?«
»Ich wasche grundsätzlich nur ab, wenn ich kein sauberes Geschirr mehr habe.«
Sie lächelte. »Eigentlich wollte ich immer etwas schlampiger sein.«
»Aber?«
Ein Achselzucken. Dann inspizierte sie den Raum. »Vermutlich meine Erziehung. Manche Leute würden mich wohl als zwanghaft reinlich bezeichnen.«
»Ich dagegen bin als Chaot verschrien«, sagte Rebus.
Er sah, wie sie die Flasche mit Wasser ausspülte und neben dem Mülleimer zu einigen Einweggläsern in einen Plastikbehälter stellte.
»Bringen Sie das Zeug etwa extra zum Flaschencontainer?«
Sie nickte und lachte. Dann wurde ihr Gesicht plötzlich wieder ernst. »Herrgott noch mal, John, ich bin doch nur dreimal mit ihm ausgegangen.«
»Manchmal ist das genug.«
»Wissen Sie, wo ich ihn kennen gelernt habe?«
»Wollten Sie mir doch nicht sagen – falls Sie sich noch daran erinnern.«
»Dann sag ich's Ihnen halt jetzt: in einem Single-Club.«
»An dem Abend, als Sie mit der jungen Frau unterwegs waren – dem Vergewaltigungsopfer?«
»Ja, er geht in diesen Single-Club. Niemand dort weiß, dass er Bulle ist.«
»Na ja, vielleicht hat er Schwierigkeiten, Frauen kennen zu lernen.«
»Er trifft doch jeden Tag welche, John.« Sie hielt kurz inne. »Keine Ahnung, vielleicht gibt es dafür aber auch noch einen anderen Grund.«
»Und welchen?«
»Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht hat er ja so etwas wie eine dunkle Seite.« Sie lehnte sich rückwärts gegen die Spüle und verschränkte die Arme. »Wissen Sie noch, was Sie gesagt haben?«
»Ich sage so viele denkwürdige Dinge.«
»Was Sie darüber gesagt haben, wie manche Männer sich verhalten, wenn sie abgewiesen werden.«
»Meinen Sie vielleicht, dass Linford schon zu oft abgeblitzt ist?«
»Vielleicht.« Sie dachte nach. »Aber ich hatte eigentlich mehr an diesen Vergewaltiger gedacht. Warum dieser Mann vor allem Frauen aus Single-Clubs überfällt.«
Rebus dachte kurz nach. »Sie meinen, er hat es in einem solchen Club bei einer Frau versucht und ist abgeblitzt?«
»Oder seine Frau oder Freundin ist zu einer solchen Veranstaltung gegangen…«
Rebus nickte. »Und hat dort einen anderen kennen gelernt?«
Siobhan nickte ebenfalls. »Natürlich habe ich mit dem Fall eigentlich nichts mehr zu tun…«
»Aber die zuständigen Kollegen haben doch bestimmt in sämtlichen Single-Clubs Nachforschungen angestellt.«
»Ja, aber sie dürften kaum daran gedacht haben, die weiblichen Mitglieder nach eifersüchtigen Partnern zu fragen.«
»Klingt plausibel. Noch ein Thema für morgen Früh.«
»Ja«, sagte sie und ließ Wasser in den Kessel laufen, »sobald ich mit Derek gesprochen habe.«
»Und wenn er es bestreitet?«
»Ich stehe ja nicht allein da, John.« Sie sah ihn über die Schulter an. »Ich habe doch Sie.«
»Nein, Sie haben mich und ein paar Vermutungen. Das ist nicht
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