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Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11

Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11

Titel: Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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Mary's Street erreichte.
    »Um Gottes willen, wozu denn?«, brummte Cammo verächtlich.
    Alicia verzog nur den Mund, sagte aber nichts und setzte ihren Weg Richtung Holyrood Road fort. Seona gab sich Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken: Zwar nur ein kleiner, trotzdem ein wichtiger Sieg. Aber gegen wen oder was kämpfte sie eigentlich?
    Cammo ließ sich zurückfallen. Die drei Frauen hielten miteinander Schritt. Hugh war vor einem Schaufenster stehen geblieben und telefonierte mal wieder. Cammo ging jetzt neben Roddy und freute sich darüber, dass er noch immer wesentlich besser gekleidet war als sein jüngerer Bruder.
    »Ich hab wieder eins von diesen Schreiben bekommen«, sagte er beiläufig.
    »Was für ein Schreiben?«
    »Mensch, hab ich dir davon noch nichts erzählt? Die Briefe werden an mein Abgeordnetenbüro geschickt. Und meine Sekretärin muss sie aufmachen, armes Mädchen.«
    »Drohbriefe?«
    »Glaubst du vielleicht, dass man als Abgeordneter nur Fan-Post erhält?« Cammo tippte Roddy auf die Schulter. »Damit musst du leben, falls du gewählt wirst.«
    »Falls«, wiederholte Roddy lächelnd.
    »Also, soll ich dir jetzt was über diese Todesdrohungen erzählen oder nicht?«
    Roddy blieb plötzlich stehen, doch Cammo ging einfach weiter. Roddy brauchte einen Augenblick, um ihn wieder einzuholen.
    »Todesdrohungen?«
    Cammo zuckte mit den Achseln. »In unserem Metier nicht ganz unbekannt.«
    »Und was steht in den Briefen?«
    »Nicht viel. Nur, dass es mir demnächst ›an den Kragen‹ geht. Einmal waren sogar ein paar Rasierklingen beigelegt.«
    »Und was sagt die Polizei dazu?«
    Cammo sah ihn kopfschüttelnd an. »Mein Gott, wie naiv du bist. Die Einrichtungen, die in diesem Land mit der Durchsetzung der Gesetze betraut sind, Roddy – und diesen Tipp gebe ich dir kostenlos –, zeichnen sich vor allem durch ihre Indiskretion aus. Das gilt insbesondere, wenn man die Herrschaften zum Essen oder Trinken einlädt oder wenn ein oder mehrere Abgeordnete im Spiel sind.«
    »Du meinst, dass die Polizei die Presse informiert?«
    »Bingo.«
    »Trotzdem verstehe ich nicht ganz…«
    »Die Zeitungen würden die Sache breittreten und mich auf Schritt und Tritt verfolgen.« Cammo wartete, bis seine Worte ihre Wirkung getan hatten. »An ein normales Privatleben wäre dann natürlich nicht mehr zu denken.«
    »Aber Todesdrohungen…«
    »Irgendein Geisteskranker«, schnaubte Cammo verächtlich. »Nicht der Rede wert. Ich wollte dich nur warnen. Dir könnte nämlich demnächst durchaus dasselbe blühen, Brüderchen.«
    »Wenn ich gewählt werde.« Wieder dieses scheue Lächeln – eine Scheu allerdings, die mit reichlich Kampfeslust gepaart war.
    »Wenn das Wörtchen Wenn nicht wär«, sagte Cammo und zuckte mit den Achseln. »So sagt man doch, oder?« Er hielt Ausschau nach den drei Frauen weiter vorne. »Mutter hat 'n ganz schönes Tempo drauf, was?«
    Alicia Grieve hieß mit Mädchennamen Alicia Rankeillor, und unter diesem Namen war sie als Malerin berühmt und wohlhabend geworden. Das Hauptthema ihres Werkes war das Edinburgher Licht. Ihr bekanntestes Gemälde war tausendfach auf Postkarten und auf sonstigen Reproduktionen verbreitet. Auf dem Bild durchbrach das Sonnenlicht an mehreren Stellen einen Wolkenvorhang und tauchte das Schloss und weiter unten den Lawnmarket in gleißendes Licht. Obwohl nur wenige Jahre älter als sie, war Allan Grieve an der Kunsthochschule ihr Lehrer gewesen. Die beiden hatten früh geheiratet, jedoch erst Kinder in die Welt gesetzt, als ihr beruflicher Erfolg gesichert schien. Insgeheim hatte Alicia stets das Gefühl gehabt, dass Allan sie um ihren künstlerischen Erfolg beneidete. Er war zwar ein großartiger Lehrer, doch fehlte ihm das Talent, selbst als Künstler Bedeutendes zu leisten. Einmal hatte sie sogar zu ihm gesagt, er müsse versuchen, von seiner akademischen Korrektheit Abstand zu nehmen, weil echte Kunst der Überpointierung bedürfe. Er hatte nur ihre Hand gedrückt und geschwiegen und sie erst kurz vor seinem Tod an diese Worte erinnert.
    »An dem Tag damals hast du mich getötet und meinen künstlerischen Lebenstraum zerstört.« Sie wollte schon Protest erheben. Doch dann hatte er begütigend gesagt: »Du hattest ja völlig Recht. Leider habe ich nie eine echte künstlerische Vision gehabt.«
    Manchmal wünschte sich Alicia, dass das Schicksal auch ihr selbst diese Vision erspart hätte. Eine gute, liebevolle Mutter wäre zwar auch dann nicht aus ihr geworden, aber

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