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Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11

Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11

Titel: Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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der Flasche trank. Das Wochenende lag vor ihm, und mal abgesehen von dem Fußballspiel, wusste er nicht, was er tun sollte. Im Dämmerlicht seines Wohnzimmers hingen ganze Schwaden Zigarettenrauch. Von Zeit zu Zeit dachte er daran, die Wohnung zu verkaufen, sich was Neues zu suchen, wo weniger Gespenster ihn verfolgten. Doch andererseits waren sie seine einzige Gesellschaft: die toten Kollegen, die Opfer zahlloser Verbrechen, die Frauen, mit denen er mehr oder weniger kurzlebige Beziehungen gehabt hatte. Er wollte sich noch etwas Whisky nachgießen. Doch die Flasche war leer. Als er aufstand, bemerkte er, dass der Boden unter ihm zu schwanken anfing. Eigentlich musste er noch eine frische Flasche in der Einkaufstasche unter dem Fenster haben, doch die Tasche war leer und zerknüllt. Er blickte aus dem Fenster und sah in der Scheibe sein ratloses Gesicht. Lag nicht noch eine Flasche unten in seinem Wagen? Hatte er eigentlich eine oder zwei Flaschen gekauft? Er ging im Geist die Kneipen durch, die auch um zwei Uhr früh noch geöffnet waren. Die Stadt – seine Stadt –, dort draußen wartete sie auf ihn, wartete darauf, ihm ihr dunkles, eingeschrumpftes Herz zu präsentieren.
    »Ich brauch den verdammten Stoff nicht«, sagte er und legte die Handflächen auf die Fensterscheiben, als ob er das Glas herausdrücken und zugleich damit unten auf dem Gehsteig zerschellen wollte.
    »Ich brauche den verdammten Stoff nicht«, wiederholte er. Dann richtete er sich wieder auf, ging nach vorne und zog den Mantel an.

3
    Samstagmittag. Der Clan traf zum Essen im Witchery zusammen.
    Ein Nobelrestaurant oben an der Royal Mile. Gleich neben dem Schloss. Von draußen strömte durch die großen Fenster das Tageslicht herein – fast wie in einem Glashaus. Roddy hatte auch im Namen der übrigen Geschwister das Essen zum fünfundsiebzigsten Geburtstag ihrer Mutter organisiert. Sie war Malerin, und das hatte ihn auf die Idee gebracht, ein Restaurant mit möglichst viel Tageslicht auszuwählen. Allerdings war der Himmel bedeckt. An den Fensterscheiben rann in Strömen der Regen hinab. Die Wolken hingen tief und verhüllten sogar die Spitze der Burg.
    Zum Auftakt des Familientreffens war man kurz durch die Befestigungsanlagen gegangen. Doch die Jubilarin zeigte sich unbeeindruckt. Allerdings kannte sie den Ort schon seit fast siebzig Jahren und war seither gewiss schon hundertmal hier oben gewesen. Auch das Essen hatte ihre Stimmung nicht gehoben, obwohl Roddy jeden einzelnen Gang, jeden Schluck Wein in den höchsten Tönen gepriesen hatte.
    »Warum musst du nur immer so übertreiben?«, fuhr sie ihn an.
    Er überging die Bemerkung schweigend, starrte in sein Puddingschälchen und zwinkerte schließlich Lorna zu. Lorna sah wieder den kleinen Jungen vor sich, der ihr Bruder einmal gewesen war, fühlte sich an jene bezaubernde Scheu erinnert, mit der er inzwischen vor allem seine potenziellen Wähler und irgendwelche Fernsehreporter umgarnte.
    Warum musst du nur immer so übertreiben? Die Worte standen noch immer im Raum. Fast schien es so, als ob die übrigen Familienmitglieder sich geradezu daran labten. Doch dann fing Roddys Frau Seona an zu sprechen.
    »Ja, wo er das wohl herhat?«
    »Was hat sie gesagt? Was hat sie gesagt?«
    Natürlich war es Cammo, der die Friedensverhandlungen einleitete: »Also, Mutter, er hat sich die ganze Mühe doch nur gemacht, weil du heute…«
    »Kannst du denn keinen einzigen Satz zu Ende sprechen?«
    Cammo seufzte und holte tief Luft. »Weil du heute Geburtstag hast. Warum gehen wir nicht zu Fuß zum Holyrood-Palast hinunter?«
    Seine Mutter funkelte ihn wütend an – ihre Augen wie feuernde Geschütze. Dann lag plötzlich ein Lächeln auf ihrem Gesicht. Die anderen beneideten Cammo um seine Fähigkeit, solche kleinen Wunder zu vollbringen. Ja, in solchen Augenblicken verfügte er geradezu über magische Kräfte.
    Sie saßen zu sechst an dem Tisch. Cammo, der älteste Sohn, hatte das Haar aus der Stirn zurückgekämmt und trug die goldenen Manschettenknöpfe seines Vaters und damit die einzigen Dinge von Wert, die ihm dieser hinterlassen hatte. Über Politik hatten sie sich schon immer gestritten – Cammo und der alte Herr, der noch ein Liberaler vom alten Schlag gewesen war. Cammo selbst hingegen war bereits während des Studiums in St. Andrews der Konservativen Partei beigetreten. Inzwischen hatte er im Umland von London ein sicheres Abgeordnetenmandat errungen und vertrat einen vorwiegend ländlichen

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