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Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11

Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11

Titel: Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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dem Treppenabsatz gab es ein Fenster, durch das man die Straße und die Wohnungen auf der anderen Seite einsehen konnte. Siobhans Fenster waren erleuchtet. Sie hatte die Vorhänge nicht zugezogen. Ja, da war sie: Ein kurzer Blick genügte. Sie ging gerade durch einen der Räume, hielt etwas in der Hand und schien darauf etwas lesen zu wollen: eine CD-Hülle? Schwer zu sagen. Er mummte sich in sein Jackett ein. Die Temperatur lag nur wenig über dem Gefrierpunkt. Das Oberlicht über seinem Kopf hatte ein Loch. Von draußen strömte kalte Zugluft herein.
    Doch auch das konnte ihn nicht davon abhalten, wie gebannt auf das Fenster gegenüber zu starren.

14
    »Und wann wird die Leiche freigegeben?«
    »Kann ich noch nicht sagen.«
    »Schrecklich, wenn jemand stirbt, und man kann ihn noch nicht mal begraben.«
    Rebus nickte. Er war wieder mal im Wohnzimmer des Hauses in Ravelston. Derek Linford saß neben ihm auf dem Sofa. Ihnen gegenüber in einem Sessel saß Alicia Grieve und erschien klein und gebrechlich. Ihre Schwiegertochter, die gerade gesprochen hatte, saß neben ihr auf der Armlehne. Seona Grieve trug Trauerkleidung, Alicia hingegen hatte ein mit bunten Blumen gemustertes Kleid an, dessen Farben mit ihrem aschfahlen Gesicht merkwürdig kontrastierten. Als er die tiefen Falten sah, die sich in ihr Gesicht und in ihren Hals gegraben hatten, musste Rebus unwillkürlich an einen Elefanten denken.
    »Ich hoffe. Sie verstehen das, Mrs. Grieve«, sagte Linford zuckersüß. »Wir können die Leiche in einem solchen Fall nicht sofort freigeben. Könnte sein, dass wir noch weitere Obduktionsbefunde brauchen…«
    Alicia Grieve versuchte sich aus ihrem Sessel zu erheben.
    »Ich kann das alles nicht mehr hören«, sagte sie. »Nicht hier und nicht jetzt. Am besten, Sie gehen jetzt.«
    Seona half ihr, sich aufzurichten. »Schon gut, Alicia. Ich spreche mit den Herren. Möchtest du lieber nach oben gehen?«
    »Nein, in den Garten… Ich gehe in den Garten.«
    »Aber pass auf, dass du nicht stolperst.«
    »So gebrechlich bin ich nun auch wieder nicht, Seona.«
    »Natürlich nicht. Ich meine ja bloß…«
    Die alte Frau schleppte sich zur Tür. Sie sagte kein Wort, blickte sich nicht um. Schloss einfach die Tür hinter sich. Schlurfte langsam davon.
    Seona setzte sich in den Sessel, den ihre Schwiegermutter gerade freigemacht hatte. »Tut mir Leid.«
    »Keine Ursache«, sagte Linford.
    »Aber wir müssen unbedingt mit ihr sprechen«, gab Rebus zu bedenken.
    »Ist das wirklich nötig?«
    »Ich fürchte, ja.« Natürlich konnte er nicht zu Seona sagen: Weil Ihr Mann seiner Mutter vielleicht bestimmte Dinge anvertraut hat – weil sie vielleicht Dinge weiß, die für uns wichtig sind.
    »Und wie geht es Ihnen selbst, Mrs. Grieve?«, fragte Linford. »Wie kommen Sie mit der Situation zurecht?«
    »Wie eine Alkoholikerin«, entgegnete Seona Grieve und seufzte.
    »Na ja, ein Gläschen hier und da kann ja ganz hilfreich…«
    »Sie meint«, sagte Rebus, »dass sie die Dinge von Tag zu Tag auf sich zukommen lässt.«
    Linford nickte, als ob er sich darüber schon die ganze Zeit im Klaren gewesen wäre.
    »Apropos«, sagte Rebus, »hat jemand in Ihrer Familie ein Alkoholproblem?«
    Seona Grieve sah ihn an. »Sie meinen Lorna?«
    Er schwieg.
    »Roddy hat nicht besonders viel getrunken«, fuhr sie fort.
    »Hier und da ein Glas Rotwein oder mal einen Whisky abends vor dem Essen. Cammo…, na ja, Cammo kann irrsinnig viel trinken, ohne dass man es merkt, es sei denn, man kennt ihn sehr gut. Aber er fängt nicht etwa an, zu lallen oder zu singen.«
    »Und wie zeigt es sich dann?«
    »Sein Verhalten verändert sich.« Sie blickte auf ihren Schoß hinab. »Sagen wir mal, seine moralischen Grundsätze geraten ins Wanken.«
    »Hat er jemals…?«
Sie sah Rebus an. »Ja, ein- oder zweimal.«
Linford, der nicht ganz im Bilde war, sah Rebus bedeutungs-
    voll an. Seona Grieve bemerkte den Blick und schnaubte ver
    ächtlich. »Keine besonders originelle Idee, Inspektor Linford?« Er zuckte zusammen. »Was soll das heißen?« »Verbrechen aus Leidenschaft. Cammo bringt Roddy um,
    weil er unbedingt mich haben will.« Sie schüttelte den Kopf. »Finden Sie, wir machen es uns zu einfach, Mrs. Grieve?« Sie dachte über Rebus' Frage nach – ließ sich dabei viel Zeit.
    Deshalb schob er eine weitere nach. »Sie sagen, dass Ihr Mann nur wenig getrunken hat. Trotzdem
    ist er manchmal mit Freunden zum Trinken weggegangen?« »Ja.« »Und manchmal nachts nicht

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