Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11
Gästen hindurchschob. Nach dem Mief in der Kneipe tat die Nachtluft gut. Rebus atmete ein paarmal tief durch.
»Tut mir Leid, dass wir Sie stören, Sir«, sagte Wylie.
»Sie werden kaum ohne Grund hier sein.« Er schob die Hände in die Taschen. Das Pflaster war jetzt spiegelglatt. Eine altersschwache Laterne tauchte die enge Straße in ihr gelbes Licht. Die Windschutzscheiben der Autos waren mit Raureif bedeckt. Als die drei Polizisten jetzt miteinander sprachen, hatten sie kleine Wölkchen vor dem Mund.
»Wir sind bei Jack Kirkwall gewesen«, erklärte Hood.
»Ja und?«
»Sie kennen ihn?«, fragte Wylie.
»Hab vor ein paar Jahren mal mit ihm zu tun gehabt.«
Hood und Wylie sahen sich an. »Los, erzähl schon«, sagte
Hood. Wylie berichtete also, was sie erlebt hatten, und Rebus
stand am Ende nachdenklich da. »Der Mann schmeichelt mir«, sagte er schließlich. »Er hat gesagt, dass Sie uns mehr über Mr. Big sagen kön
nen«, wiederholte sie. Rebus nickte. »Ja, so haben ihn manche bei der Kripo ge
nannt. Nicht sehr originell.« »Aber der Name hat gepasst?«, hakte Hood nach. Rebus trat zur Seite, weil er einem Paar die Tür versperrte.
Inzwischen hatte die Sängerin wieder angefangen. Man konnte ihre Stimme durch das geschlossene Fenster des Hinterzimmers hören.
Und die Vergangenheit lässt mich nicht los, sang sie.
»Er hieß Callan. Vorname Bryce.«
»Ich dachte, dass Big Ger Cafferty in Edinburgh das Sagen
hat?«
Rebus nickte. »Aber erst, seit Callan sich an der Costa del Sol oder irgendwo zur Ruhe gesetzt hat. Trotzdem hat er bis heute seine Finger im Spiel.«
Wylie: »Versteh ich nicht ganz.«
»Na ja, es gibt da so Geschichten, zum Beispiel, dass Caffertys Aktivitäten teilweise von Spanien aus gesteuert werden. Bryce Callan ist ja schon fast…« Er suchte nach dem richtigen Wort. Die Sängerin in dem Hinterzimmer sang jetzt traurig:
Ach, manches wäre besser ungesagt geblieben.
»… eine mythische Figur?«, fragte Wylie.
Er nickte und starrte in die Auslage des Friseurladens gegenüber. »Weil es uns nie gelungen ist, ihn einzusperren, nehm ich an.«
»Und was hat er mit Dean Coghill angestellt?«
Rebus zuckte mit den Achseln. »Schutzgeld vielleicht. Auf einer Baustelle kann so manches passieren, und auch damals war bei solchen Projekten… schon viel Geld im Spiel. Schon ein paar verlorene Tage reichen manchmal aus, um ein kleines Unternehmen in den Ruin zu treiben.«
Hood nickte. »Dann müssen wir also Coghill ausfindig machen?«
»Mal vorausgesetzt, dass er überhaupt bereit ist, mit uns zu sprechen«, erklärte Wylie.
»Ich werde noch mal versuchen, ein bisschen was über Bryce Callan in Erfahrung zu bringen«, sagte Rebus.
So hat das Gestern sich dem Heute eingeschrieben…
»In der Zwischenzeit«, sagte er, »solltet ihr zwei nach Möglichkeit Coghills Mitarbeiterkartei sicherstellen. Wir müssen unbedingt wissen, wer damals auf der Baustelle gearbeitet hat.«
»Und ob einer dieser Mitarbeiter verschwunden ist«, fügte Hood hinzu.
»Ich nehme mal an, Sie haben die damaligen Vermisstenanzeigen schon überprüft.«
Wylie und Hood sahen sich an, sagten aber nichts.
»Echte Scheißarbeit«, gab Rebus zu, »aber leider geht es nicht anders. Wenn Sie sich zu zweit darum kümmern, dauert es nur halb so lange.«
»Reicht es, wenn wir nur die letzten Monate '78 und die ersten drei Monate '79 durchforsten?«, wollte Wylie noch wissen.
»Für den Anfang ja.« Er wies mit dem Kopf auf das Lokal. »Kann ich euch beiden einen Drink spendieren?«
Wylie schüttelte sofort den Kopf. »Ich glaube, wir gehen lieber ins Cambridge, etwas ruhiger dort.«
»Verstehe.«
»In der Kneipe da drüben«, sagte sie, »herrscht ungefähr das gleiche Chaos wie in der Besenkammer, in die wir mit unseren Ermittlungen geraten sind.«
»Wenn Sie meinen«, sagte Rebus. Wylie sah ihn vorwurfsvoll an.
»Sir«, sagte sie. »Die Frau in dem Lokal…« Wylie blickte auf ihre Füße. »Hab ich die Dame richtig erkannt?«
Rebus nickte. »Reiner Zufall«, sagte er.
»Natürlich.« Sie nickte langsam, drehte sich um und würdigte ihn keines Blickes mehr. Hood rannte hinter ihr her. Rebus stand vor der Tür und öffnete sie einen Spalt breit, wartete aber noch ab. Wylie und Hood steckten die Köpfe zusammen, und Hood wollte unbedingt wissen, wer die Frau gewesen war. Sollte auf dem Revier in der St. Leonard's Street etwas von der Sache bekannt werden, wusste Rebus wenigstens, wer geplaudert hatte.
Und
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