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Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11

Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11

Titel: Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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dann würde er das Histo-Team in seine Bestandteile zerlegen.
    Um vier Uhr früh wachte er auf. Die Nachttischlampe brannte noch. Die Bettdecke war zurückgeschlagen. Draußen ein Motorengeräusch. Er stolperte zum Fenster und sah gerade noch, wie eine dunkle Gestalt im Fond eines Taxis verschwand. Er wankte nackt ins Wohnzimmer und suchte unterwegs immer wieder nach einem Halt. Sie hatte ihm ein Geschenk dagelassen: eine Demo-CD der Robinson Crusoes mit dem Titel Shipwrecked Heart. Klang angesichts des Namens der Truppe durchaus plausibel. Das letzte Stück auf der Platte war Peters Abschiedssong an seinen Vater. Rebus schob die Scheibe in die Stereoanlage, ließ die Musik leise laufen und hörte vielleicht ein, zwei Minuten zu. Auf dem Boden vor dem Sofa standen eine leere Flasche und zwei Gläser. In einem davon war noch ein Fingerbreit Whisky. Er roch daran, brachte das Glas dann in die Küche, goss den Whisky in den Abfluss, füllte das Glas mit kaltem Wasser und leerte es gierig. Nach diesem Besäufnis war ein Kater zwar unvermeidlich, aber er wollte wenigstens sein Bestes tun, um das Schlimmste zu verhindern. Drei Paracetamoltabletten und noch mehr Wasser, danach ging er mit einem weiteren Glas Wasser ins Bad. Sie hatte geduscht. An der Stange hing ein nasses Handtuch. Zuerst hatte sie geduscht, dann ein Taxi gerufen. Hatte er sie vielleicht mit seinem Schnarchen aufgeweckt? Oder hatte sie überhaupt nicht geschlafen? Er ließ sich ein Bad einlaufen und betrachtete sich im Spiegel. Er hatte tiefe Ringe unter den Augen, die Haut hing schlaff herab. Er beugte sich über das Waschbecken und kämpfte mit einer Brechreizattacke. Fast hätte er die Tabletten wieder herausgewürgt. Wie viel hatten sie eigentlich getrunken? Er wusste es nicht mehr. Waren sie eigentlich direkt vom Ox hierher gekommen? Schien ihm nicht sonderlich plausibel. Er ging ins Schlafzimmer und suchte in seinen Taschen nach irgendeinem Hinweis. Nichts. Doch von den fünfzig Pfund, die er abends mitgenommen hatte, waren nur mehr Pennys übrig.
    »O mein Gott.« Er kniff die Augen zusammen. Sein Hals war steif, sein Rücken schmerzte. Er ging zurück ins Bad und starrte in den Spiegel. »Haben wir es eigentlich gemacht?«, fragte er sich. Vielleicht ganz sicher, lautete die Antwort. Er schloss wieder die Augen. »Oh, verdammt noch mal, John, was hast du nur gemacht?«
    Antwort: mit Lorna Grieve geschlafen. Zwanzig Jahre früher hätte er vor Freude ein Rad geschlagen, aber vor zwanzig Jahren hatte er auch nicht beruflich mit ihr zu tun gehabt, und zwar in einem Mordfall.
    Er drehte die Wasserhähne zu, stieg in die Wanne und rutschte mit angewinkelten Knien im Wasser so weit nach vorne, dass sein ganzer Kopf unter Wasser kam. Vielleicht löst sich der Spuk ja in Wohlgefallen auf, wenn ich einfach so liegen bleibe, dachte er. Das erste Mal mit einem Mädchen betrunken ins Bett gestiegen war er vor mehr als fünfunddreißig Jahren – ja, nach einem Schulfest war das gewesen.
    Eine verdammt lange Lehrzeit, dachte er und tauchte wieder auf, um Luft zu holen. Was immer auch passieren mochte, er war jetzt irgendwie mit den Grieves verbunden, ein weiterer Faden im Geflecht ihrer Familiengeschichte.
    Und falls Lorna über die Geschichte sprechen sollte, dann würde auch er selbst – John Rebus – bald nur noch Geschichte sein.

 

Zweiter Teil
     
     

Ein dunkler Morast

16
    Als Jayne zur Arbeit gegangen war, widmete sich Jerry seinem Morgenritual: Tee, Toast und die Zeitung und dann ein bisschen Musik-Hören im Wohnzimmer. Alte Scheiben aus seiner Jugend. Ja, so konnte man den Tag beginnen. Sollten doch die Nachbarn oben stampfen und toben, er zeigte ihnen nur einen Vogel und tanzte trotzdem weiter. Er hatte ein paar Lieblingssongs – Generation X: »Your Generation«, Klark Kent: »Don't Care«, Spizzenenergi: »Where's Captain Kirk?« Die Plattenhüllen waren total zerfleddert, die Vinylscheiben zerkratzt – sie waren auf zu vielen Partys im Einsatz gewesen, an zu viele Freunde ausgeliehen worden. Er musste daran denken, wie er sich mit ein paar Kumpels mal, ohne zu bezahlen, in ein Ramo-nes-Konzert an der Uni geschlichen hatte: Oktober '78. Die Spizz-Single war vom Mai '79: Das Kaufdatum war hinten auf die Hülle gekritzelt. Ja, so war er damals gewesen. Sämtliche Singles hatte er handschriftlich datiert, richtig Buch geführt. Die fünf Spitzentitel der Woche. Natürlich hatte er nicht alles gekauft. Eine Zeit lang war er regelmäßig ins

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