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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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ungarischen KP beschäftigte sich die ungarische Staatssicherheit, die ÄVH, mit den Beschuldigungen. Einige Spieler traf die Zwangsversetzung in zweitklassige Fußballclubs, andere wurden ganz aus der Nationalmannschaft verbannt.
    Zwar nicht im Endspiel, sondern in einer der davor liegenden Gruppenausscheidungen der Fußballweltmeisterschaft 1974 trafen sich zwanzig Jahre später die beiden deutschen Staaten im Fußballduell. Auch dieses Treffen wurde automatisch zu einem Ost-West-Duell im Kalten Krieg, das entsprechend akribisch vorbereitet wurde. Der Weltmeisterschaftsneuling DDR, der im Jahr zuvor, wie auch die Bundesrepublik, in die UNO aufgenommen worden war, traf sich am 22. Juni 1974 in Hamburg - auf dem Territorium des «Klassenfeinds» - zu dem politisch-emotional hoch aufgeladenen Spiel gegen die favorisierte bundesdeutsche Nationalmannschaft. Entsprechend verfolgten auch die Zuschauer das Spiel. Als in der 70. Minute von den westdeutschen Fußballanhängern «Deutsch-land-Deutschland»-Rufe laut wurden, antworteten die nach politischer Zuverlässigkeit ausgewählten ostdeutschen Reisekader mit «DDR-DDR». 67 Als acht Minuten später dann das 1:0-Führungstor durch den DDR-Stürmer Jürgen Sparwasser fiel, war die Sensation perfekt. Von vielen der weniger privilegierten Fußballfans in der DDR hingegen, die das Spiel nur vor dem Fernseher erleben konnten, war bekannt, daß sie, wie 1954, für die Bundesrepublik mitzitterten. Bei ihnen wurde Sparwassers Siegtor zu einem ausgesprochenen politischen Ärgernis, dessen Folgen der «Held von 1974» zu spüren bekam. Ironie der Geschichte: Für die bundesdeutsche Elf wirkte sich die bittere Niederlage gegen die DDR nicht einmal negativ aus. Während die in den weiteren Auswahlrunden sieglose DDR-Auswahl schließlich ausschied, wurde die Bundesrepublik im Endspiel gegen die Niederlande zum Fußballweltmeister 1974.
Religionen im Kalten Krieg und der Aufstieg des politischen Islam
    Wenn man über Kultur und Gegenkultur im Kalten Krieg spricht, darf selbstverständlich der Einfluß der Religionen nicht fehlen. Alle Glaubensgemeinschaften waren - unabhängig davon, ob sie sich nun bewußt politisch engagierten oder trotz weltlicher Zurückhaltung in eine politische Rolle gerückt wurden - ein Faktor des globalen Konflikts. Wie in jedem Machtkonflikt brachte zumeist der tatsächlich vorhandene oder zumindest unterstellte ganzheitliche Anspruch der Religionen das Problem gleichsam von selbst mit sich. In der Regel waren sie entweder dieser oder jener Seite zugeordnet; Neutralität war auch für sie nicht möglich. Die Zuordnung mußte nicht in jedem Fall logisch nachvollziehbar erscheinen und konnte zudem im jeweiligen politischen Kontext höchst unterschiedlich ausgeprägt sein.
    Die Verbindung zur christlichen Religion gehörte im amerikanischen Selbstverständnis von jeher zu den grundlegenden Cha-ralcteristika des politischen Denkens und der praktischen Politik. Ab 1947 hat insbesondere John Foster Dulles, als maßgeblicher Vertreter der US-Außenpolitilc der vierziger und fünfziger Jahre und als «Erfinder» der Liberation Policy, die Bedeutung des christlichen Glaubens für den Kampf gegen die Sowjetunion unterstrichen. Quasi-religiös wurde bis zum Ende des Kalten Krieges zumindest in der Rhetorik der «Kreuzzug gegen das Böse», gegen die «politische Religion» des Kommunismus geführt. Zahlreiche christlich-fundamentalistische Gruppen in den USA (u.a. Christian Vöice, Moral Majority ) unterstützten dies als innen- und außenpolitische Lobbygruppen. Zu einem deutlichen Beleg für die kontinuierliche politische Bedeutung der Religion bis zum Ende des Kalten Krieges wurde 1983 Ronald Reagans Rede in Orlando anläßlich des Jahrestreffens der National Association of Evangelicals. Hier fiel unter anderem Reagans berühmt-berüchtigter Satz vom Kommunismus als dem «Mittelpunkt des Bösen in der modernen Welt» und vom Kalten Krieg als dem «Kampf zwischen Recht und Unrecht, zwischen Gut und Böse [,..]». 68 Daß Reagan wenig später durchaus ernsthaft und öffentlich den Begriff des «Armageddon», also die biblische Bezeichnung für den letzten und entscheidenden Kampf zwischen Gut und Böse, zur Kennzeichnung der Auseinandersetzung mit der Sowjetunion verwandte, lag nicht nur auf der Linie seiner generellen Argumentation. Gegenüber einem amerikanischen Journalisten der Washington Post äußerte er damals auch die Überzeugung, daß es seine Generation

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