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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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in den Entwicklungsländern des Lesens und Schreibens kundig, erhöhte sich diese Rate bis Mitte der achtziger Jahre auf sechzig Prozent und erreichte in den neunziger Jahren rund 76 Prozent. Auch die Lebenserwartung stieg durch bessere Versorgung um fast ein Drittel. 49 Gleichzeitig blieben viele Erwartungen unerfüllt. Trotz Ausnahmegenehmigungen für Länder der Dritten Welt konnten nicht die gewünschten höheren Preise gegenüber den global tätigen, vor allem westlichen Unternehmen durchgesetzt werden. Diese erweiterten während des Kalten Krieges vielfach ihre Positionen auf Kosten der Dritten Welt. Eines der bekanntesten Beispiele dafür war der von der CIA 1954 lancierte Putsch in Guatemala, der vor allem die Interessen der amerikanischen United Fruit Company bediente. Die wohl wichtigste Unterstützung erhielten jedoch die großen internationalen Erdölfirmen. Wahrscheinlich wurden hier während des Kalten Krieges auch Mittel der öffentlichen Entwicklungshilfe regelwidrig für die Erschließung von Ölquellen genutzt. 50 Gerade jedoch im Ölgeschäft zeigten sich auch die Möglichkeiten der Dritten Welt.
Erdöl: Die Waffe der Dritten Welt
    Die geostrategische Bedeutung der Kontrolle von Energie- und Rohstofflagern, speziell der Lagerstätten von Erdöl, war auch vor dem Kalten Krieg unbestritten. Der politisch-wirtschaftliche Wert des Erdöls steigerte sich aber im Verlauf des Kalten Kriegs noch einmal deutlich, weil sich nicht nur der weltweite Verbrauch um ein Vielfaches erhöhte, sondern nun auch die Begrenztheit der Ressourcen immer deutlicher wurde. Die (erste) Ölkrise 1973 machte dann vor allem dem Westen schlagartig deutlich, daß ölproduzierende Länder durchaus in der Lage waren, die Weltwirtschaft in Teilen zu beschädigen. Dieser «Ölschock» führte auf beiden Seiten des Konflikts dazu, noch größere «strategische Ölreserven» anzulegen. In der Bundesrepublik etwa sollte die Einlagerung von 25 Millionen Tonnen Erdöl den Bedarf für neunzig Tage dek-ken. Grundsätzlich war der Westen wesentlich stärker von der Ölkrise getroffen worden, weil seine Abhängigkeit vom Weltmarkt und insbesondere von den erdölproduzierenden arabischen Staaten am Persischen Golf größer war. Schon vor dem Sechstagelcrieg
    1967 lieferten diese für westeuropäische Staaten über achtzig Prozent, für die USA über fünfzig Prozent des Erdöls. 51 Welche politische Brisanz in dieser Abhängigkeit steckte, machten früh die außenpolitischen Grundsätze der USA deutlich. Kontinuierlich verwiesen sie im Kalten Krieg auf die Notwendigkeit, die großen Erdölvorkommen am Persischen Golf zugänglich zu halten und wenn nötig mit Waffengewalt zu sichern. Bereits die nach der Suezkrise verabschiedete «Eisenhower-Doktrin» sah 1957 grundsätzlich eine Militärintervention im Nahen Osten vor, falls «lebenswichtige amerikanische Interessen» bedroht seien. Die über zwanzig Jahre später nach der sowjetischen Invasion in Afghanistan verkündete «Carter-Dolctrin» machte dies im Januar 1980 noch deutlicher. Die USA, so hatte US-Präsident Carter erklärt, würden sofort militärisch eingreifen, falls eine andere Macht versuchen sollte, die Ölzufuhr aus dem Persischen Golf abzuschneiden. 52 Unmittelbar danach wurde zum ersten Mal eine eigens für den Wüstenkrieg am Persischen Golf trainierte Einheit aufgestellt. Für die Sowjetunion hingegen blieb das strategische Problem weniger brisant, da sie sich prinzipiell dafür entschieden hatte, den Erdölbedarf des Ostblocks aus eigenen Beständen zu decken. Seit 1964 verlief eine mit Hilfe von Jugendverbänden aus verschiedenen Ostblockstaaten gebaute «Erdölleitung Freundschaft» vom westsibirischen Erdölfeld Samotlor über Almetjewsk an der Wolga bis in die ostmitteleuropäischen Satellitenstaaten, nach Ungarn, in die Tschechoslowakei und die DDR. Dennoch war die UdSSR während des Kalten Krieges auch in verschiedenen Förderländern außerhalb ihres Territoriums aktiv, unter anderem im Irak, in Libyen und Nigeria.
    Die Konkurrenz zwischen dem Westen und der Sowjetunion um den Zugang zum Erdöl hatte bereits vor dem Zweiten Weltkrieg begonnen. 53 Zunächst waren es vor allem die Briten, dann auch die Amerikaner, schließlich auch die Sowjets, die sich für die Ölfelder am Persischen Golf interessierten. Es war bezeichnend für die wachsende Bedeutung des Erdöls, daß einer der ersten Konflikte zwischen den Westmächten und Stalin im beginnenden Kalten Krieg um den

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