Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
Vom Netzwerk:
Hälfte des Kalten Krieges in 33 Staaten. 43 Der Bundesrepublik Deutschland gelang es bis 1969 immer wieder, offizielle DDR-Vertretungen mit dem Hebel des Alleinvertretungsanspruchs zum Beispiel aus afrikanischen Staaten herauszuhalten. Bonn drohte mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen und der Einstellung oder Kürzung der Entwicklungshilfe, falls ein Staat die Ostberliner Regierung offiziell anerkennen würde. Mehrfach kam man gegenüber der Dritten Welt tatsächlich in die Situation, über Sanktionen nachzudenken. So war Ulbrichts Besuch im blockfreien Ägypten 1965 nicht nur ein außenpolitischer Triumph für die DDR, sondern auch eine bittere Niederlage für Bonn - ein «Stalingrad am Nil», wie die der CDU nahestehende Zeitung Christ und Welt damals vermerkte 44 Den Hintergrund für Nassers Einladung bildete nicht nur die Unterstützung, die der Ostblock den Ägyptern seit Jahren gewährt hatte, sondern auch der Zorn der arabischen Welt auf die Unterstützung des Westens für Israel. Wirklich peinlich wurde es dann, als der westdeutsche Bundeskanzler Ludwig Erhard öffentlich mit dem Abbruch aller diplomatischen Beziehungen drohte, sich dies politisch aber gar nicht durchsetzen ließ. Gegen die außenpolitische Schlappe half es dann auch nur wenig, daß die Bundesrepublik in fast jeder afrikanischen Hauptstadt eine Vertretung eröffnete - selbst dort, wo kaum politische oder wirtschaftliche Interessen vorhanden waren. Dem ägyptischen Beispiel folgten dann auch andere blockfreie Staaten. Seit 1969 rollte eine Welle von diplomatischen Anerkennungen für die DDR und mit dem Grundlagenvertrag 1972 verschwand die nutzlos gewordene Hallstein-Doktrin.
    In der zweiten Hälfte des Kalten Krieges waren die Konflikte weniger durch den deutschlandpolitischen Sonderkonflikt als von den eigentlichen Fronten der Blöcke des Kalten Krieges gekennzeichnet. 45 Bonn wurde in den achtziger Jahren unter anderem zu einem der Hauptlieferanten für einen der zentralen Konflikte des Kalten Krieges in der Dritten Welt: für den Bürgerkrieg in Angola. Westdeutsche Waffen und andere militärische Ausrüstungsgegenstände wurden aber auch nach Kamerun, Libyen und Tunesien geliefert. Bis zum Ende des Kalten Krieges schloß die Bundesrepublik über 20 000 Entwicklungshilfeprojekte in der Dritten Welt ab. Von Ostberlin aus arbeitete man dagegen vor allem mit Kooperationen. 46 Die DDR wurde vor allem für Geheimdiensthilfe und für die sogenannte Kaderausbildung in der Dritten Welt zuständig. Im Schwerpunktgebiet Afrika wurden ostdeutsche «Berater» erstmals 1964 auf die ostafrikanische Insel Sansibar geschickt, dann auch nach Ghana und in den Sudan. Über den sozialistischen Südjemen, der ebenfalls von DDR-«Beratern» betreut wurde, liefen dann zeitweilig auch die Kontakte zur Terrorszene Westdeutschlands. In der zweiten Hälfte des Kalten Krieges erhielten vor allem Angola und Mocambique sowie Äthiopien «Kaderhilfe» aus der DDR. In Äthiopien wurde 1977 auch die erste von der DDR finanzierte Schule für Staatssicherheitsmitarbeiter eingerichtet. In den achtziger Jahren erhöhte sich dann auch die Hilfe für die sozialistischen Staaten Lateinamerikas, wobei insbesondere das sandinisti-sche Nicaragua zum Empfängerland wurde, das sich ab 1983 dann einen kontinuierlichen Guerillakrieg mit den von den USA unterstützten Contras lieferte. Zusammen mit Ungarn, der CSSR und Bulgarien spendierte die DDR rund 158 Millionen Dollar für die Sandinisten, die diese unter anderem auch an die salvadoriani-schen Rebellen Weitergaben. 47 Über diese Unterstützung hinaus engagierte sich die SED in der Hilfe für revolutionäre Bewegungen: Unter anderem erhielten die gegen die weißen Apartheid-Re-gierungen kämpfenden Befreiungsorganisationen wie der «Afrikanische Nationalkongreß» (ANC) in Südafrika, die «Afrikanische Volksunion» (ZAPU) in Rhodesien/Simbabwe und die «Organisation der Völker Südwestafrikas» (SWAPO) Unterstützung. Nach dem Aufstand im südafrikanischen Ghetto Soweto 1976 wurde die DDR dann sogar die erste Adresse für die Ausbildung von Kämpfern gegen das Regime in Johannesburg. 48
    Der Vergabe von Entwicklungshilfe unter einem so deutlichen politischen Primat war mit Sicherheit nicht das, was man unter humanitären Gesichtspunkten hätte erwarten können. Trotz aller Kritik erreichte die Entwicklungshilfe im Kalten Krieg jedoch einiges. Waren am Ende der ersten Hälfte des Konflikts nur 43 Prozent der Erwachsenen

Weitere Kostenlose Bücher