Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
Zugang zu diesen Fördergebieten geführt wurde. Die Irankrise 1946 war in großen Teilen auch eine Auseinandersetzung um den Zugang zum Persischen Golf. Stalins Druck auf die iranische Regierung, seine Hilfe für moskaufreundliche Parteien und marxistische Gruppierungen sowie seine Förderung eines autonomen aserbaidschanischen Gebiets im Norden Irans sollten einerseits den aus seiner Sicht zu westfreundlichen Kurs Teherans in Grenzen halten, wenn möglich sogar beenden, vor allem aber Ölfördergenehmigungen erzwingen. Die in den Tageszeitungen damals verbreitete Krisenstimmung hielt Wolfgang Koeppen in seinem 1951 veröffentlichten Roman Tauben im Gras so fest: «Krieg um Öl, Verschärfung im Konflikt, der Volkswille, das Öl den Eingeborenen, die Flotte ohne Öl, Anschlag auf die Pipeline, Truppen schützen Bohrtürme, Schah heiratet, Intrigen um den Pfauenthron, die Russen im Hintergrund, Flugzeugträger im Persischen Golf. Das Öl hielt die Flieger am Himmel, es hielt die Presse in Atem, es ängstigte die Menschen und trieb mit schwächeren Detonationen die leichten Motorräder der Zeitungsfahrer.» 54
Stalins Idee scheiterte nicht nur, sondern er mußte mit anse-hen, wie westliche Ölgesellschaften mit der Ausbeutung neuer Lagerstätten in Kuwait, schließlich auch in Katar, Bahrain und in den Vereinigten Arabischen Emiraten begannen. Ab 1958 förderten westliche Gesellschaften auch Erdöl in Syrien. Außerhalb des Nahen und Mittleren Ostens lagen die während des Kalten Krieges explorierten weiteren Erdölvorkommen in Lateinamerika (Venezuela, Ecuador), in Afrika (Algerien, Libyen, Gabun, Nigeria) und in Südostasien (Indonesien). Hinzu kamen schon früh Offshore-För- derungen. Sie erwiesen sich sogar als weitaus weniger anfällig für politische Störungen als die auf dem Festland eingerichteten Förderanlagen. Das Beispiel der Ölförderung vor der Küste Angolas zeigt, daß diese trotz des langandauernden Bürgerkriegs im wesentlichen unbehelligt fortgeführt werden konnte, weil internationale Wirtschaftsinteressen damit verbunden waren. Alle beteiligten Parteien, zu denen auch die beiden Supermächte gehörten, hatten kein Interesse daran, solche Anlagen zu zerstören. Ähnlich unbehelligt blieben Ölgesellschaften zum Beispiel in Nigeria.
Für die Staaten der Dritten Welt, die über ergiebige Erdöllagerstätten verfügten, war die Vergabe von Lizenzen an ausländische Gesellschaften eine ambivalente Angelegenheit. Einerseits sorgten die Abgaben der westlichen Ölgesellschaften - die sogenannten Renten - für die finanzielle und machtpolitische Stabilisierung der häufig autolcratisch-diktatorisch regierten Länder. Andererseits verhinderte der scheinbar problemlose und schier unerschöpflich erscheinende Fluß von «Petrodollars» nicht nur politische Veränderungen, sondern hemmte häufig auch wirtschaftliche Innovationen in diesen «Rentier-Staaten». Insbesondere in den arabisch-islamischen Staaten nahm die aus religiösnationalistischen Motiven geäußerte Mißstimmung auf Dauer rapide zu. Es war kein Zufall, daß gerade im Ölland Saudi-Arabien, dessen Monarch traditionell auch als Hüter der heiligsten Stätten des Islam fungierte, nicht nur die Kritik an der Anwesenheit der «Ungläubigen» besonders rasant wuchs. Hier war auch das Ursprungsgebiet einer der radikalsten islamistischen Gruppierungen im Kalten Krieg. Der Gründer der 1988 entstandenen islamistischen Terrororganisation Al-Qaida, Osama Bin Laden, wurde 1957 in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad geboren. 55
Die über den gesamten Kalten Krieg und darüber hinaus fortbestehende enge Bindung Saudi-Arabiens an die USA war allerdings eher eine Ausnahme unter den arabischen Ölstaaten. Allgemein war in den mehrheitlich arabischen Ölfördergebieten mit dem von Ägyptens Staatschef Nasser ab 1955 eingeleiteten selbstbewußten panarabischen Kurs eine gravierende Wandlung eingetreten. Sie holte als Reflex gegen die politisch-wirtschaftliche Übermacht des Westens langfristig die Sowjets am Persischen Golf ins Boot. Beispielhaft ließ sich dies im Irak beobachten, dessen Führung seit den fünfziger Jahren mit Hilfe Moskaus nicht nur versuchte, sich als neue Vormacht des arabischen Nationalismus zu etablieren, sondern gleichzeitig auch gegenüber dem von den USA unterstützten Rivalen Iran politisch zu punkten. 56 Der Irak war, wie sein Nachbar Iran, seit dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches nach dem Ersten Weltkrieg britisches
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