Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
gegenüber Stalin, wir hätten eine neue Waffe mit ungewöhnlicher Zerstörungskraft. Der russische Premier zeigte keinerlei besonderes Interesse. Alles, was er sagte, war, daß er froh sei, das zu hören, und er hoffe, man werde sie (erfolgreich gegen die Japaner einsetzen>.» 24 Indes, auch die Sowjets verhielten sich nicht anders. Wichtige Geheimdienstnachrichten übermittelte Stalin seinen Verbündeten nur in Ausnahmefällen. Dies betraf selbst Fragen der militärischen Kooperation, wie der Chef der US-Militärmission in der Sowjetunion, General John R. Deane, nach dem Krieg in seinen Memoiren beklagte. 25 Als besonders ärgerlich empfanden es aber vor allem die Amerikaner, daß die sowjetische Regierung den enormen Umfang der westlichen Hilfe offensichtlich gegenüber der Bevölkerung bewußt verschwieg. Mittlerweile weiß man natürlich auch, daß die als großes Zugeständnis Stalins gefeierte Auflösung der Komintern 1943 faktisch nicht erfolgte. Sie blieb als eine eher unscheinbare «Abteilung für Internationale Information» (OMI) unter dem Dach des Zentralkomitees der KPdSU bestehen. An sie knüpfte die Kominform als Nachfolgeorganisation 1947 an. Unter der Leitung Georgi Dimitrows gab die Abteilung während des Zweiten Weltkriegs kontinuierlich Instruktionen an die kommunistischen Parteien im gesamten besetzten Europa weiter. Solche Anweisungen - etwa zur Bildung einer kommunistisch kontrollierten «Nationalen Front» in den einzelnen Ländern, die sich zunächst auf die Spielregeln des parlamentarischen Systems einlassen sollte - hörten wiederum die Briten seit 1943 kontinuierlich ab. Sie sorgten bereits damals für erhebliche zusätzliche Beunruhigung. 26 Der wohl massivste Zusammenstoß zwischen westlichen und sowjetischen Interessen ereignete sich jedoch im Zusammenhang mit der Befreiung Polens.
Als sich am 1. August 1944 die polnische Untergrundarmee, die sogenannte Heimatarmee (Armia Krajowa), in Warschau gegen die deutschen Truppen erhob, war dies eine der sichtbarsten Stufen jener grundsätzlichen Krise, die die «Großen Drei» bis 1947 in den offiziell erklärten Kalten Krieg führte. Stalins Intentionen waren nur zu offensichtlich, als er die Spitzen der Roten Armee bis zur Niederschlagung des Aufstands am 2. Oktober 1944 anhalten und zum Teil sogar umkehren ließ. Auch jede Hilfestellung bei den Versuchen der Westalliierten, den Aufständischen Hilfe zukommen zu lassen, wurde verweigert. Den Hintergrund dieses Eklats bildete nicht nur das traditionell problematische sowjetisch-polnische Verhältnis. Stalin fürchtete vor allem eine Stärkung der polnischen Widerstandsbewegung, die die von ihm geplante Nachkriegsordnung unnötig verkomplizieren könnte. Kurz vor dem Aufstand hatte Stalin im Juli 1944 ausdrücklich klargestellt, daß er für die Nachkriegszeit nur das prosowjetische «Lubliner Komitee» akzeptieren werde, keinesfalls aber die seit 1940 in London weilende bürgerliche Exilregierung unter Stanislaw Mikolajczyk. Tatsächlich wurde sie zwar von den Westmächten präferiert, war aber ihrerseits zunächst ebenfalls zu fast keinem Zugeständnis gegenüber Moskau bereit. Im Exil hatten vor allem die 1943 auftauchenden Nachrichten über das sowjetische Massaker an polnischen Offizieren bei Katyn die Ablehnung verschärft.
Die Umstände der Niederschlagung des Warschauer Aufstands
1944 sprengten zwar nicht das Anti-Hitler-Bündnis, beeinflußten es aber nachhaltig negativ. Die Illusionen, politischen Einfluß in Polen zu erreichen, schwanden, wie ein Memorandum von US-Au-ßenminister Edward R. Stettinius am 31. Oktober deutlich machte: «Nachkriegspolen wird unter starkem sowjetischen Einfluß stehen», schrieb er an Roosevelt. In dieser Situation könnten die Vereinigten Staaten eigentlich nur noch darauf hoffen, daß ein wenig Einfluß über Handel, Investitionen und Informationen möglich bleiben werde. 27 Roosevelt selbst äußerte «tiefste Enttäuschung». Stalin hatte in der Zeit danach verstärkt den Kontakt zu den Westmächten gesucht. Seine Zustimmung zur Jalta-Erklärung im Februar 1945 und seine dort demonstrativ gezeigte Gesprächsbereitschaft über Polen mag auch der Einsicht entsprungen sein, den Verbündeten wieder etwas entgegenzukommen.
Neben den Problemen um Polen wuchs seit Mitte 1944 bis Kriegsende das gegenseitige Mißtrauen, die Verbündeten könnten sich doch noch mit den Deutschen auf einen Separatfrieden einigen. Dabei spielte einerseits das Attentat auf
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