Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
dafür mit den deutschen Ostgebieten entschädigt werden. Auf einer späteren Besprechung in Moskau - diesmal ohne Roosevelt - konnte man sich im Oktober 1944 sogar auf genauere Einflußsphären in Ost- und Südosteuropa einigen. Hier waren von Churchill seine später berühmt-berüchtigten Prozentangaben handschriftlich auf einem Zettel notiert und von Stalin einzeln abgehakt worden. Der sowjetische Einfluß sollte in Rumänien 90, in Bulgarien 75, in Ungarn und Jugoslawien 50 und in Griechenland 10 Prozent betragen. 22 Auch in anderen Fragen war gerade dieses Treffen für Stalin sehr erfreulich. Unter anderem wurde ihm die Auslieferung sowjetischer Staatsbürger zugesagt, die sich als Kriegsgefangene, Verschleppte oder zum Teil auch freiwillig in Deutschland befanden, und die Stalin unterschiedslos als Verräter ansah. Die geheimen Absprachen dazu während der sogenannten «Tolstoi-Konferenz» wurden in ihren Einzelheiten erst in den siebziger Jahren öffentlich bekannt und lösten dann erbitterte Debatten aus. Tatsächlich waren die Ausgelieferten zum großen Teil hingerichtet worden oder im GULag-System verschwunden.
Auch in der Deutschlandfrage waren die interalliierten Abmachungen zunächst nicht wirklich fundamental unterschiedlich geblieben: Die Teilung des Deutschen Reiches - das Dismemberment - schien seit 1941 eine gemeinsame Basis zu bieten, die für alle Alliierten Vorteile bereithielt. Entsprechend behandelte man die Frage während der Kriegskonferenzen. In Jalta konnte diese Option 1945 noch als alliierter Konsens behandelt werden, ehe sie kurz danach zum ernsthaften Streitpunkt wurde. Amerikaner und Briten entdeckten bei näherer Betrachtung doch mehr Nachais Vorteile einer Aufteilung Deutschlands in Kleinstaaten. Man fürchtete unter anderem eine Stärkung des Nationalismus, aber
markieren der Interessensphären Das Dokument zeigt die bei einem Treffen zwischen Stalin und Churchill in Moskau im Oktober 1944 geschlossene interne Abmachung zur Aufteilung Osteuropas. Roosevelt nahm an dieser Konferenz nicht teil. Die von Churchill auf dem Papier vermerkten Prozentangaben wurden von Stalin einzeln abgehakt.
auch die Gefahr, solche Reststaaten ständig wirtschaftlich unterstützen zu müssen. Die mißtrauischen Sowjets vermuteten in der Kehrtwendung der Westmächte allerdings eine antisowjetische Verschwörung: Man wolle, so notierte Molotow in einem Bericht, die UdSSR in der Öffentlichkeit gezielt als Verantwortliche für die Teilung Deutschlands diffamieren. 23
Besonders stolz war Roosevelt persönlich darauf, in Jalta die Zustimmung Stalins zur Gründung der Vereinten Nationen am 25. April 1945 im kalifornischen San Francisco und sein Einverständnis zur Zusammensetzung des sogenannten Sicherheitsrats erreicht zu haben. Tatsächlich war auch Stalin den Westmächten während des Krieges demonstrativ in einigen wesentlichen Punkten entgegengekommen. Im Mai 1943 hatte er die vom Westen seit 1919 mißtrauisch als Zentrale der Weltrevolution beargwöhnte Komintern offiziell aufgelöst. Auch der sogenannten Atlantic Charter vom August 1941, die das Selbstbestimmungsrecht der Völker, die freie Wahl der Regierungsform, eine Ablehnung von Annexionen, Gewaltverzicht und freien Handel als Prinzipien der Nachkriegsordnung festgeschrieben hatte, schloß sich der sowjetische Diktator im September 1941 an. Er stimmte darüber hinaus während der Konferenz in Jalta im Februar 1945 der inhaltlich ähnlichen «Erklärung über das befreite Europa» zu. Der Bruch dieser «Jalta-Deklaration» im Zuge der sowjetischen Besetzung Ostmitteleuropas wurde dann zu einem der zentralen Gründe für das Zerwürfnis der Siegermächte 1944/45.
Markierung der Fronten: Der Bruch der alliierten Koalition 1944/45
Das wohl wichtigste Zeichen dafür, daß bei aller nach außen demonstrierten Einheit die Westmächte Stalin eigentlich nicht trauten, war das Atomwaffenprojekt. Das Mißtrauen wurde durch die aufgedeckten Spionageaktivitäten während des Krieges weiter verstärkt. Tatsächlich war Stalin seit 1943 durch sowjetische Spione, zu denen unter anderem der deutschstämmige Atomwissenschaftler Klaus Fuchs gehörte, immerhin so gut über das sogenannte Manhattan-Projekt informiert, daß ihn Trumans Andeutungen während der Potsdamer Konferenz, man habe eine neue
Waffe entwickelt, nicht mehr beeindrucken konnten. «Bei der Gelegenheit», bemerkte Truman später zu diesem denkwürdigen Gespräch am 24. Juli 1945, «erwähnte ich
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