Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
UdSSR zu verhindern. Insgesamt stellten die Amerikaner den Sowjets bis 1945 Kriegsmaterial im Wert von rund 2,6 Milliarden Dollar zur Verfügung. 18 Auch für die Briten war der Schulterschluß mit Stalin, trotz aller vorangegangenen Probleme, keine Frage. Die wichtigste Aufgabe, betonte Churchill wenige Tage vor dem japanischen Angriff auf den US-Marinestützpunkt Pearl Harbor und der folgenden auch deutschen Kriegserklärung an die USA, bestehe darin, «ein für alle Mal die deutsche Gefahr zu beseitigen». 19
Das «unnatürliche Bündnis» der demokratischen Staaten mit dem sowjetischen Diktator war nur als Zweckbündnis bei gegenseitiger ideologisch-politischer Zurückhaltung zu erhalten. Beide Seiten wußten dies und vermieden während des Krieges nach Möglichkeit alles, was zu einem politischen Sprengsatz werden konnte. Man wollte Kompromisse, wie beide Seiten immer wieder deutlich machten. «Wir müssen Hitler schlagen, jetzt ist nicht die Zeit, sich zu streiten und Anklagen zu erheben», versicherte Churchill dem sowjetischen Botschafter Iwan M. Maisky im April 1943, als die deutsche Propaganda teilweise erfolgreich versuchte, mit Hilfe der durch den NKWD begangenen Morde an 4000 polnischen Offiziere bei Katyn einen Keil in die alliierte Koalition zu treiben. 20 Dieser Wille, die Koalition fortzuführen, zeigte sich nicht zuletzt während der Kriegskonferenzen. In der Liste der Gegner blieb Deutschland an erster Stelle, auch als das zunächst erfolgreiche japanische Ausgreifen im ostasiatisch-pazifischen Raum seit Dezember 1941 die dortige amerikanische Position und dann das britische Empire ernsthaft zu bedrohen schien.
In der Kriegsführung konnten sich die Angloamerikaner am 30. September 1943 in der sogenannten Deklaration von Moskau mit Stalin auf das wichtigste Ziel einigen, nämlich die Achsenmächte zur bedingungslosen Kapitulation (Unconditional Surrender) zu zwingen. Als zwei Monate später Stalin während der Konferenz von Teheran (28.11.-1.12.1943) zum ersten Mal persönlich mit Roosevelt zusammentraf, wurde ihm auch die Eröffnung einer zweiten Front für den Mai 1944 zugesagt. Der sowjetische Diktator stimmte im Gegenzug zu, etwa drei Monate nach dem Kriegsende in Europa in den Krieg gegen Japan einzutreten, von dem man zunehmenden fanatischen Widerstand erwartete. Den Alliierten schien es damals sogar möglich, daß die Japaner selbst dann ihren Widerstand fortsetzen könnten, wenn ihre Hauptinseln besetzt worden seien. Schätzungen gingen davon aus, daß dann der Krieg in Asien im schlechtesten Fall noch bis 1949 dauern könne. Während des Treffens in Jalta im Februar 1945 wurde deshalb ein großzügiges Paket für den sowjetischen Einsatz in Ostasien geschnürt. Die UdSSR sollte für ihr Engagement die 1905 vom zaristischen Rußland an Japan verlorenen Gebiete zurückerhalten: die Kurilen und den Süden von Sachalin. Zusätzlich wurde Stalin die Kontrolle der Mongolischen Volksrepublik sowie von Teilen der Mandschurei und von Korea zugestanden, und nicht zuletzt sollte auch der Hafen von Port Arthur wieder von der Sowjetunion als Flottenstützpunkt genutzt werden dürfen. Die Kompromißbereitschaft ging sogar so weit, daß die USA es vermieden, die strikt antikommunistische chinesische Kuo-min-tang -Regierung (KMT) und ihren Führer Tschiang Kai-schek darüber zu informieren. Als die KMT die Jalta-Abmachungen dann ablehnte, wurde Tschiangs Zustimmung nicht nur erzwungen, sondern er darüber hinaus sogar veranlaßt, einen offiziellen Freundschafts- und Bündnisvertrag mit Stalin abzuschließen. Der Pakt wurde am 14. August 1945, knapp eine Woche nach dem sowjetischen Eintritt in den Krieg gegen Japan, unterzeichnet. 21 Er berücksichtigte vollständig die sowjetischen Interessen. Allerdings war die hier von Stalin Unterzeichnete Verpflichtung, sich nicht in die inneren Angelegenheiten Chinas einzumischen, bereits zu diesem Zeitpunkt das Papier nicht wert. Wie in den Vereinbarungen für Europa war auch in den Festlegungen für Ostasien bereits der Kern des Konflikts für den kommenden Kalten Krieg enthalten.
Auch für die politische Nachkriegsordnung war - soweit möglich - Übereinstimmung gesucht worden. Roosevelt und Churchill
akzeptierten schon Ende 1943 während der Konferenz von Teheran die sowjetischen Annexionen in Osteuropa, die Stalin 1939 mit Hitler ausgehandelt hatte: Der sowjetische Diktator durfte die Baltischen Staaten und das damals besetzte Ostpolen behalten. Polen sollte
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