Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
Vorkommen 1958 eine zunächst typische Entwicklung. Mit der Dekolonisierung 1960 waren sie zunächst relativ problemlos durch die einschlägigen westlichen Gesellschaften - hier insbesondere durch den britisch-niederländi-schen Konzern Royal Dutch/Shell - exploriert und ausgebeutet worden. Von Anfang an aber war im ethnisch zerrissenen und durch Stammesinteressen fraktionierten Nigeria die Verteilung der Gewinne aus der Ölförderung eine politisch heikle Angelegenheit. Sechs Jahre nach der Unabhängigkeit führten mehrere Revolutionen schließlich zur Abspaltung des ölreichen Ostens (Biafra) von der Zentralregierung im westlich gelegenen Lagos. Der folgende, bis 1970 andauernde Bürgerkrieg, der als Biafrakonflikt weltweit traurige Berühmtheit erhielt, aber schließlich doch mit der Wiedervereinigung Nigerias endete, hatte unter anderem deshalb so lange angehalten, weil sich auch hier angesichts der strategischen Bedeutung des Landes die beiden Hauptblöcke des Kalten Krieges aktiv beteiligten. Britische Berater standen der Zentralregierung in Lagos zur Seite, sowjetische Waffen wurden den Truppen Biafras zur Verfügung gestellt. Der Krieg wurde vor allem für die Bevölkerung zwischen den Fronten zur humanitären Katastrophe. Mit dem danach einsetzenden Ölboom, in dem die 1973 verstaatlichte Ölindustrie^ und die sich nacheinander ablösenden Militärregierungen mit den großen westlichen Gesellschaften eng zusammenarbeiteten, waren die Probleme für die Bevölkerung dann nur noch größer geworden. Auch in Nigeria blieb, wie in vielen anderen Regionen der Dritten Welt, in denen die Konflikte des Kalten Krieges auch militärisch geführt wurden, die Bevölkerung das eigentliche Opfer.
9. Schauplatzwechsel 1961: Krieg in der Dritten Welt
Der Vietnamkrieg und seine «Nebenkriegsschauplätze»
Der erste militärische Konflikt des Kalten Krieges hatte ab 1950 in Korea stattgefunden und war mit dem Waffenstillstand 1953 zu Ende gegangen. Faktisch waren die alten Grenzen am 38. Breitengrad nach Hunderttausenden von Toten unverändert wiederhergestellt worden. Korea blieb mit seinen anhaltenden kleinen Konfrontationen und der Unfähigkeit auf beiden Seiten des geteilten Landes, eine dauerhafte politische Annäherung einzuleiten, ein negatives Paradebeispiel für die Bedeutung der Entspannungspolitik im Kalten Krieg. Nicht jedoch dort, sondern in Südostasien und schließlich auf Kuba entwickelten sich in den sechziger Jahren die wichtigsten militärischen Brennpunkte des Kalten Krieges.
Der Konflikt in Südostasien war unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als französischer Krieg zur Rekolonisie-rung von «Indochina» begonnen worden. Diese Phase reichte von 1945/46 bis zur überraschenden Niederlage der französischen Truppen bei Dien Bien Phu im Nordwesten Vietnams 1954. 1 In dieser Zeit waren die französischen Truppen zwar von Sieg zu Sieg geeilt, einen abschließenden Erfolg hatten sie aber nicht vorweisen können. Jedesmal waren die kommunistischen Guerillas der Viet Minh, der 1941 gegründeten Liga für die Unabhängigkeit Vietnams (Viet Nam Döc Lap Dong Minh Hoi), wieder zurückgekehrt. Unter ihrem charismatischen Führer Hö Chi Minh waren sie den Franzosen in diesem speziellen Krieg, der aus den häufig unzugänglichen Wäldern geführt wurde,' weit überlegen. Entstanden als eine zunächst gegen die Franzosen, dann auch gegen die Japaner gerichtete heterogene antilcolonial-nationalistische Befreiungsorganisation, versammelten die Viet Minh zunächst vor allem Intellektuelle. Wie fast überall in den europäischen Kolonien war es der Kommunismus, der als eine Befreiungsideologie nach und nach am meisten Überzeugungskraft gewann, nicht zuletzt, weil die europäischen Kolonialmächte eben antikommunistisch waren. Vor diesem Hintergrund verlor auch die zunächst von den Viet Minh ins Auge gefaßte bürgerlich-demokratische Revolution rasch ihre Attraktivität. Statt dessen waren es anfangs zwei kommunistische Revolutionskonzepte, die gegen die französische Kolonialherrschaft favorisiert wurden. Während im Süden Vietnams das Modell der Russischen Oktoberrevolution mit ihren subversiven städtischen Zellen bevorzugt wurde, war es im Norden das chinesische Modell des Volkskriegs. Die zentrale Führungspersönlichkeit, der 1941 aus China zurückgekehrte, damals bereits 54jährige Hö, orientierte sich vor allem an Mao. Als der Chinesische Bürgerkrieg gegen die von den USA unterstützten Truppen
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