Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
deutlichen Schwerpunkt auf die wirtschaftliche Konsolidierung, bei der die Sicherung der Energie eine zentrale Rolle spielte. Energie-politisch brachte die politisch verordnete Ölknappheit im Westen zunächst einen neuen Schub für die Kernenergie, der wiederum umfassende politische Gegenbewegungen auslöste. Damals kaum absehbar, erwuchs aus diesen einzelnen Bürgerinitiativen, die sich nicht nur gegen Atomkraft artikulierten, vielfältiges politisches und zivilgesellschaftliches Engagement. Es verband sich ab Ende der siebziger Jahre unter anderem mit der Friedensbewegung und mündete schließlich in neue, grundsätzliche Proteste gegen den Kalten Krieg. Auf offizieller Ebene hatte dies allerdings zunächst kaum Wirkung.
Eine zweite Ölkrise folgte nur wenige Jahre später. Mit der Iranischen Revolution 1979 und dem Ausfall der dortigen Förderung für die westlichen Staaten explodierte der Rohölpreis geradezu. Er stieg 1981 zeitweilig auf über vierzig Dollar je Barrel. Obwohl er ab 1982/83 auch wieder rückläufig war, wurde die Suche nach Alternativen in der Energieversorgung nun permanent fortgesetzt und übersprang auch sichtbar die Fronten des Kalten Krieges. Unter anderem wurden die westeuropäischen Energieimporte aus der Sowjetunion gesteigert. 61 Aber auch für die Ostblockstaaten hatte die zweite Ölkrise nun spürbare Folgen. Angesichts der lukrativen Devisenquelle für fossile Energien - sie machten Mitte der achtziger Jahre rund 80 Prozent der sowjetischen Erlöse aus 62 - war die Führung in Moskau nicht mehr so uneingeschränkt gewillt, die RGW-Länder mit Öl unter dem von der OPEC festgelegten Preis zu beliefern, zumal die scheinbar unerschöpflichen Lieferungen aus der Sowjetunion zu einer gigantischen Energieverschwendung führten. Man hat errechnet, daß sich die Subventionen der Sowjetunion für Rohstoffe an die RGW-Staaten in den zehn Jahren nach der ersten Ölkrise auf bis zu 118 Milliarden Dollar beliefen. 63 Diese Summe konnte selbst die UdSSR nicht so ohne weiteres ausgleichen. Besonders ärgerlich war es dann, als die Subventionierten daraus selbst Kapital zogen und - wie im Fall der DDR - unter anderem das preisgünstig bezogene sowjetische Erdöl und Erdgas zum OPEC-Marktpreis an den Westen weiterverkauften. Schon 1981 hatte der erboste DDR-Staatsratsvorsitzende Honelc-lcer mit dem Sonderbeauftragten Breschnews, Konstantin Mussa-kow, einen heftigen Disput, in dessen Verlauf er fragte, ob die UdSSR wegen des Erdöls wirklich die DDR auf Spiel setzen wolle. 64 Wenige Jahre später führten die Subventionen dann zum Eklat. Als im Januar 1989 eine hochrangige DDR-Delegation nach Moskau reiste, um durchzusetzen, daß man zusätzlich zu den bereits bewilligten 17 Millionen Tonnen Erdöl weitere zwei Millionen Tonnen erhielt, weigerte sich die sowjetische Führung nicht nur, sondern drohte sogar damit, die bereits zugesagten Mengen zu reduzieren. Zu kostenintensiv war auch in der UdSSR die Förderung des Rohöls geworden. Auch die Sowjetunion war sichtbar an ihre ökonomischen Grenzen gestoßen.
Bis über das Ende des Kalten Krieges hinaus blieb der Rohölpreis ein gravierendes wirtschaftliches Problem aller Industriestaaten. Aber auch für die Dritte Welt blieben seine Möglichkeiten begrenzt. Einerseits erlangten die Förderländer durch den Erdölbedarf der westlichen Industrienationen ungeheure Reichtümer. Die Bruttosozialprodukte einiger arabischer Ölstaaten stiegen auf Werte, die im Verhältnis zur Einwohnerzahl selbst die USA überrundeten. Eine Waffe gegen die Armut wurde das Erdöl andererseits jedoch nicht. Die Masse der Araber außerhalb der reichen Ölstaaten blieb verarmt. Der Ölreichtum verstärkte schließlich sogar die Abhängigkeit vom Westen, da nur wenig Anlaß bestand, produktive Bereiche, etwa in der Landwirtschaft, in der Konsumgüterindustrie oder auch in der Technologieentwicklung, auszubauen. Überdies blieb das Erdöl einer der großen Motoren für die Konflikte in der Dritten Welt. Im Vergleich zu Afrika zeigte sich die Region am Persischen Golf, trotz des irakisch-iranischen Krieges in den achtziger Jahren und trotz der am Ende des Kalten Krieges versuchten Invasion Saddam Husseins in Kuwait, allerdings noch relativ stabil, da vor allem die USA hier keine großen politischen Verwerfungen zuließen.
Wie das Krisenszenario für ölproduzierende Staaten auch aus-sehen konnte, belegte das Beispiel Nigeria. 65 Hier brachte die Entdeckung von hochwertigen
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