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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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indisch-pakistanische Konflikt, der mit der britischen Entscheidung zur Teilung des ehemaligen Kolonialgebiets Indien im Jahr 1947 entstand, besaß von Beginn an einerseits eine religiöse, andererseits eine machtpolitische Komponente. 34 Beide Ebenen ließen sich nicht voneinander trennen und waren eine der wesentlichen Ursachen für die Härte und Langlebigkeit der Auseinandersetzung, die sich über mehrere blutige Nachbarschaftskriege fortsetzte und auch durch das Ende des Kalten Krieges nicht beendet werden konnte. Sie kostete nach vorsichtigen Schätzungen bis zu zehn Millionen Tote. Tatsächlich war die Situation bereits wenige Tage nach der durch Großbritannien am 15. August 1947 festgestellten Autonomie Indiens - die Unabhängigkeitserklärung Pakistans war am 14. in Karatschi erfolgt - eskaliert. Noch während Premier Jawaharlal Nehru in Indien und Premier Liaquat Ali Khan in Pakistan die Unabhängigkeit feierten, die in dieser Form selbst Mahatma Gandhi ablehnte, kam es zu blutigen Zusammenstößen. Im Pandschab, jener Provinz, die durch die neue Grenzziehung geteilt wurde, hatten die hinduistischen Sikhs in der Stadt Lahore, die an Pakistan übergeben werden sollte, sogar mit Krieg gedroht. Bei den großangelegten Bevölkerungsverschiebungen von mehreren Millionen Menschen kam es dann zu gegenseitigen blutigen Angriffen der Hindus und Muslime mit Hunderttausenden von Toten. 35
    Das Tragische an der Situation war nicht zuletzt, daß der Zwang zur Teilung des Subkontinents sich eigentlich allein aus dem Zeitdruck ableitete, den der letzte britische Vizekönig von Indien, Lord Louis Mountbatten, vorgegeben hatte. Sowohl das Versprechen, Indien die Unabhängigkeit zu geben, als auch das Zugeständnis an die in der Muslimliga organisierten Muslime, einen eigenen Staat zu erhalten, sollten möglichst rasch umgesetzt werden. Bereits 1940 hatte die Muslimliga ihre «Pakistan-Resolution» verabschiedet. Als ihr Führer, Mohammed Ali Jinnah, 1946 die indischen Provinzwahlen dann deutlich gewann, wurde dies gleichzeitig zum Votum für die Gründung eines «Pakistan». 36 Unmittelbar nach diesen Wahlen war es bereits zu Handgreiflichkeiten zwischen Muslimen und Hindus gekommen. Im nächsten Jahr eskalierte die Situation im besonders umstrittenen Landesteil Kaschmir. Dessen Bevölkerung war zwar mehrheitlich islamisch, aber dessen Maharadscha hatte sich zu viel Zeit gelassen, um zu entscheiden, an welchen Staat er sein Fürstentum anschließen wollte. Da angesichts der ungeklärten Situation bereits islamische Freischärler aus Pakistan eingriffen, um vollendete Tatsachen zu schaffen, forderte der Fürst reguläre indische Truppen an, denen wenig später pakistanische Einheiten gegenüberstanden. Diese ersten Kämpfe dauerten bis 1949 und wurden erst durch einen von der UNO ausgehandelten Waffenstillstand beendet.
    Der Kalte Krieg berührte insofern den indisch-pakistanischen Konflikt, als beide Staaten aufgrund dieser Rivalität eine spiegelbildlich entgegengesetzte Außenpolitik betrieben. Zwar entschieden sich beide prinzipiell für die Blockfreiheit und gehörten 1954 und 1955 sogar zu den Mitveranstaltern der ersten Blockfreientreffen in Colombo und in Bandung. Da Pakistan aber aufgrund der Nähe seines großen Nachbarn Indien 1954 gleichzeitig auf seiner Mitgliedschaft im amerikanisch dominierten Paktsystem SEATO bestand, konnte es nicht offiziell in die Blockfreienbewegung aufgenommen werden. Beim ersten offiziellen Treffen der Blockfreienbewegung 1961 in Belgrad wurden alle Mitglieder, die gleichzeitig etwa der SEATO oder dem Bagdad-Pakt angehörten, ausgeschlossen. 37 Vor allem Indiens Einspruch verhinderte bis 1979 immer wieder den offiziellen Beitritt Pakistans zur Blockfreienbewegung. Pakistan wiederum tat alles, um sein antiindisches Paktsystem weiter auszubauen. 1963 wurde dafür sogar ein Vertrag mit China geschlossen, das im Jahr zuvor einen kurzen Grenzkrieg mit Indien geführt hatte. 1965 hielt sich Pakistan dann sogar für stark genug, mit einem Panzerangriff auf Kaschmir zum ersten Mal seit 1947 wieder einen offenen Krieg mit dem Nachbarn zu führen. Indiens Gegenoffensive auf Lahore hatte es dann aber wenig entgegenzusetzen. Schließlich trocknete der Konflikt mangels Waffennachschub geradezu aus. Seitdem herrschte wirklich Kalter Krieg zwischen den beiden Ländern. Seit 1965 waren selbst indische Filme in Pakistan verboten. Der Gesichts- und Machtverlust der pakistanischen Führung, die unter

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