Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
Vom Netzwerk:
Sowjetunion vereinbart, die beiden deutschen Staaten mit in die Verhandlungen einzubeziehen und diese nicht mehr als Viermächtekonferenzen zu führen. Unumstritten war auch dies nie. Der berühmtgewordene Begriff der «Zwei-Plus-Vier-Gespräche», der bereits sprachlich der Bundesrepublik und der DDR eine herausgehobene und eigenständige Rolle einräumte, stammte aus dem Westen. 28 Die Sowjets - Gorbatschow ebenso wie sein Berater Anatoli Tschernajew - beharrten dagegen auf der Formel der «Vier-Plus-Zwei-Verhandlungen», die die Bedeutung der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs deutlicher unterstrich. Auch das war natürlich nicht nur Semantik, sondern warf ein bezeichnendes Licht auf die aktuellen politisch-psychologischen Konstellationen, in denen sich der Westen immer deutlicher als Gewinner des Kalten Krieges präsentierte und die Sowjetunion glaubte, immer mehr in die Rolle eines Verlierers zu rücken.
    Während der persönlichen Gespräche zwischen Gorbatschow und Kohl im Sommer 1990 waren dann brisante Einzelheiten geklärt worden. Der am 12. September Unterzeichnete Zwei-Plus-Vier-Vertrag beurkundete, daß die bisherigen Außengrenzen der beiden deutschen Staaten nun auch die unveränderlichen Grenzen des vereinigten Deutschland darstellen sollten. Er stellte zudem fest, daß das vereinigte Deutschland in der NATO verbleiben könne, legte den stufenweisen Abbau der gemeinsamen Armee auf 345 000 Soldaten fest und bekräftigte erneut den Verzicht auf Herstellung, Besitz und Verfügung von ABC-Waffen. Der Artikel 7 enthielt die Souveränitätsformel: Die vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs «beenden hiermit ihre Rechte und Verantwortlichkeiten in bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes». 29 Die Symbolik blieb auch im letzten Akt unübersehbar. Bei den Feierlichkeiten zur Unterzeichnung des Zwei-Plus-Vier-Vertrags am 12. September 1990 in Moskau saßen Lothar de Maiziere für die DDR und Hans-Dietrich Genscher für die Bundesrepublik neben den Vertretern der Siegermächte. Der Zweite Weltkrieg war endgültig zu Ende.
    Das Image desjenigen, der durch seine Reformen die Früchte des sowjetischen Sieges im Zweiten Weltkrieg verschenkte, hatte für Gorbatschow schließlich auch dramatische innenpolitische Folgen. Sie zeigten sich öffentlich allerdings erst im August 1991, als konservative Hardliner in der Sowjetunion gegen ihn putschten. Insofern war es kein Zufall, daß Gorbatschow auch während des berühmten Treffens der beiden Supermächte des Kalten Krieges auf der Mittelmeerinsel Malta im Dezember 1989 den US-Präsi-denten bat, künftig keine einseitigen Wertungen über Sieger und Verlierer des Kalten Krieges mehr zu verwenden. Bush allerdings hatte nur eingeschränktes Verständnis dafür. Er kommentierte später: «Er [Gorbatschow] kann es nicht verkraften, wenn er den Eindruck hat, daß wir auf dem Vormarsch sind, während er auf dem Rückzug ist.» 30
Der Gegner verschwindet
    Wie in den sowjetischen Satellitenstaaten in Ostmitteleuropa mißlang die geplante Reform innerhalb des kommunistischen Systems auch in der UdSSR selbst und führte schließlich zu einem grundlegenden Wechsel, an dessen Ende der Untergang der Sowjetunion am 31. Dezember 1991 stand. Gorbatschow kämpfte innenpolitisch seit dem letzten Drittel der achtziger Jahre an mehreren Fronten. Zum einen gegen die grundsätzlichen Gegner von Perestroika und Glasnost. Bis zum Putsch im August 1991 wehrte sich der konservative Partei- und Staatsapparat massiv und konnte über die Medien, die wirtschaftlichen Schaltstellen und vor allem über die Zensur ein deutliches Gegengewicht schaffen. Auch die Befürchtungen der Konservativen gegenüber den Reformen entsprachen jener Lagermentalität, die über Jahrzehnte für den Kalten Krieg nicht nur im Osten konstituierend gewesen war. Einer der Exponenten dieser Gruppe in der KPdSU, Jegor Liga-tschow, bis Juli 1990 ZK-Sekretär und Mitglied des Politbüros, faßte sie 1987 in mehreren Stellungnahmen zusammen, die in dem Satz gipfelten: Der Klassenfeind warte nur darauf, daß auf diese Weise das sozialistische Lager geschwächt werde. 31 Ligatschows Kritik wurde nicht zuletzt auch vom KGB sowie von hohen Offizieren der Roten Armee geteilt. Ähnliche Einwände hatten auch die Entstalinisierung ab 1956 und die Entspannungspolitik seit den sechziger Jahren begleitet. Der konservativen Gruppe stand eine Fraktion derjenigen gegenüber, die Gorbatschows Bemühungen zwar grundsätzlich

Weitere Kostenlose Bücher