Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
Umgehung der anderen Republiken wurde am 8. Dezember 1991 von Rußland, der Ukraine und Weißrußland der Unionsvertrag der Sowjetrepubliken außer Kraft gesetzt und eine «Gemeinschaft Unabhängiger Staaten» (GUS) gegründet. Am
21. Dezember folgte der offizielle Gründungsakt. Vier Tage später trat Gorbatschow auch von seinem Amt als Staatspräsident der UdSSR zurück. Mit Wirkung vom 31. Dezember hörte die Sowjetunion auf zu bestehen - fast auf den Tag genau 69 Jahre nach ihrer Gründung. Der Kalte Krieg, der zwischen März und September 1947 offiziell erklärt worden war, erreichte mit dem Zusammenbruch der UdSSR sein offizielles Ende.
Innenpolitisch hatten sich alle Versuche, die UdSSR oder eine vergleichbare Union mit Gewalt zusammenzuhalten, nur als hilfloser Rückfall in die Interventionspolitik der fünfziger und sechziger Jahre erwiesen. Außerhalb der UdSSR befand sich die Rote Armee bereits im Abzug. Im Januar und Februar 1991 fielen die Beschlüsse, auch jene Organisationen aufzulösen, die den Ostblock wirtschaftlich-militärisch koordiniert hatten: Am 4./5. Januar wurde der RGW, am 25. Februar auch der Warschauer Pakt für aufgelöst erklärt.
Ein Nachkrieg
Alle geschilderten Charakteristika und die offensichtlich nahezu automatisierten Reaktionen des Kalten Krieges, vor allem aber der Zusammenhang und die Komplexität seiner inneren Beziehungen legen nahe, den Konflikt systemtheoretisch zu erklären - die Teile der Auseinandersetzung eben tatsächlich als Ganzes zu betrachten. 1 Jeder Einfluß, der auf irgendeinen Teil des komplexen Systems einwirkt, verursacht Reaktionen in seinen anderen Teilen. An sich begrenzte Veränderungen lösten fast immer komplexe Wirkungen aus. Den Kalten Krieg kann man damit als ein System beschreiben, das ausgehend von der Konstellation des älteren Ost-West-Konflikts zunächst zwei Hauptzentren unterhielt - einen «Ostblock» und einen «Westblock». Die Hauptzentren, die eigentlichen Motoren des Konflikts, waren geographisch durch die USA und die UdSSR markiert und ideologisch durch den unvereinbar und daher «total» erscheinenden Grundkonflikt zweier Gesellschaftsentwürfe gekennzeichnet: liberal-kapitalistische parlamentarische Demokratie auf der einen, staatssozialistisch-diktatori-sche «Volksdemokratie» auf der anderen Seite. Beide Ideen verstanden sich als absolute Ordnungsentwürfe, woraus sich auch die umfassende Bedrohungswahrnehmung und die totale Inanspruchnahme aller Ressourcen und Lebensbereiche erklären. Da sie militärisch durch den erreichten Stand der (nuklearen) Rüstung zu einem Krieg gegeneinander nicht mehr in der Lage waren, führten sie die Auseinandersetzung so lange auf Ersatzfeldern, bis einer der beiden «Motoren» des Konflikts ausfiel. Viele dieser Ersatzfelder eröffneten gleichzeitig Spielräume für weitere Mächte.
Einer der Vorteile, die mit einer solchen Interpretation verbunden sind, erschließt sich sofort. Die von Traditionalisten, Revisionisten und Postrevisionisten diskutierte Schuldfrage spielt keine Rolle mehr. Für die Organisation und Aufrechterhaltung eines sich schließlich selbsterhaltenden und selbstreferentiellen Systems ist die Antwort auf die Frage, wer mit dem Konflikt angefangen hat, zutiefst sinnlos. Das System endet erst dann, wenn ein lebenswichtiger Teil ausfällt und nicht ersetzt werden kann. Dies geschah im Kalten Krieg mit dem Untergang der Sowjetunion. Die systemtheoretische Vorstellung erleichtert zudem das Verständnis für die «totalen» Reaktionen, die den Konflikt kennzeichneten: Sie macht seine tendenzielle Allgegenwärtigkeit anschaulich, mit dem er nicht nur global die Entwicklung beeinflußte, sondern jeden Winkel des öffentlichen und privaten Lebens zu erfassen suchte. Die radikalen In- und Exklusionen und der Druck, sich zu beteiligen, betrafen Staaten und Bündnisse ebenso wie gesellschaftliche Organisationen oder Individuen.
Die Positionen der anderen Blöcke im System - China, die blockfreien Staaten und die UNO - erschließen sich, wenn man sie als eigenständige, aber vom Hauptkonflikt abhängige Akteure begreift. China orientierte sich bei aller Selbständigkeit deutlich am Verhalten der beiden Hauptkontrahenten, ebenso wie es umgekehrt auch in seinem Verhalten von Washington und Moskau beurteilt wurde. In ähnlicher Weise war der Block der NAM-Staaten abhängig vom Verlauf des bipolaren Hauptkonflikts. So zeigt sich, daß selbst die Politik der Vorzeigestaaten der Bewegung -
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