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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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Sozialismus zu vollenden. 30 Die Konflikte mit der Sowjetunion waren schließlich auch das Argument, das die chinesische Führung zur Annäherung an Washington veranlaßte, zumal die Intervention des Warschauer Pakts in der Tschechoslowakei 1968 in Peking als unverhohlene Drohung angekommen war. Für die USA wiederum eröffnete dies die Möglichkeit, Moskau im Kalten Krieg weiter zu isolieren. Nach Nixons Besuch in China 1972 konnte Peking nicht nur den bisher von Taiwan gehaltenen UNO-Sitz einnehmen, um den man zusammen mit Moskau seit den fünfziger Jahren vergeblich gekämpft hatte. Darüber hinaus verdoppelte sich nun das Handelsbilanzvolumen, als die USA 1987 auch China die Meistbegünstigungsklausel einräumten. Für die UdSSR war es dabei besonders bitter, daß Peking dadurch offiziell den Zugang zu westlicher Computertechnologie erhielt, während die Sowjetunion und andere kommunistische Staaten davon ausgenommen blieben.
    Die Emanzipation und das Selbstbewußtsein Chinas im Kalten Krieg zeigten sich darüber hinaus darin, daß Peking seit den sechziger Jahren nicht nur jene Ostblockstaaten unterstützte, die sich wie Albanien ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr von Moskau vertreten fühlten, aber auch nicht prowestlich waren. Insbesondere gegenüber der Blockfreienbewegung trat China zunehmend dominant auf. China verstand sich nicht nur als politischer Vorreiter der Entwicklungsländer vor, während und nach der Dekolonisierung, sondern griff auch in deren Konflikte ein.
Blockfreiheit und Neutralität
    Die «Bewegung der Blockfreien» (NAM) entwickelte sich von Beginn an bewußt zwischen den Fronten des Kalten Krieges. Ziel sollten die Bewahrung der Eigenständigkeit und die Förderung politischer Emanzipation sein. Gemeinsame Erfahrung der meisten Mitglieder war die koloniale Ausbeutung. Dies unterschied die organisierte Blockfreiheit von der Neutralität anderer Staaten im Kalten Krieg, etwa der Schweiz, Österreichs, Irlands oder Schwedens. Während diese Länder fest im westlichen Lager standen -oder wie Finnland im Vertrag von 1948 versicherte, im Zweifelsfall «unterstützt durch die Sowjetunion oder zusammen mit dieser» die Verteidigung organisieren zu wollen 31 -, war die organisierte Blockfreiheit ideologisierter. In der Zugehörigkeit zu den Blöcken sahen die mehrheitlich aus dem afro-asiatischen und lateinamerikanischen Raum stammenden Mitglieder keine Lösung, weil sie neue Abhängigkeiten erzeugte, aber auch die außenpolitischen Möglichkeiten einschränkte.
    Die Blockfreiheit war bereits im Konstituierungsjahr des Kalten Krieges 1947 in jenen asiatischen Staaten propagiert worden, die die Unabhängigkeit von der Kolonialherrschaft anstrebten oder gerade erreicht hatten. 32 Auf fruchtbaren Boden fiel dies zunächst in Indien und Pakistan, die weitgehend unvorbereitet und unter Zeitdruck von Großbritannien in die Unabhängigkeit entlassen worden waren. Es war dann aber vor allem Nehru in Indien, der der Blockfreienidee ein Gesicht und eine Richtung gab, während Pakistan aufgrund der politisch-religiösen Rivalität zum großen Nachbarn doch den Schutz im westlichen Bündnis suchte. Einen weiteren Schub erhielt die Bewegung während des zum gleichen Zeitpunkt einsetzenden Versuchs einiger europäischer Mächte, ihre verlorenen Kolonien nach dem Zweiten Weltkrieg wieder unter Kontrolle zu bringen. Insbesondere die Niederlande lösten mit der angestrebten Rekolonisierung Indonesiens einen gewalttätigen Konflikt aus, der schließlich sogar die UNO beschäftigte. Die 1948/49 erreichte Internationalisierung der Indonesienfrage trug maßgeblich zur Konstituierung der Blockfreienbewegung bei. Nicht zufällig tagte die erste gemeinsame Konferenz von 23 «blockfreien» Staaten im indonesischen Bandung 1955. Das erste offizielle Gipfeltreffen fand dann 1961 im jugoslawischen Belgrad statt, wo der rebellische Staatschef Tito Stalin
    1948 erfolgreich die Stirn geboten hatte. Auch der Ort der zweiten offiziellen Konferenz - Kairo - war 1964 nicht zufällig gewählt. Der ägyptische Staatschef Gamal Abd el-Nasser wurde neben Nehru und Tito zu einer weiteren Ikone der NAM-Staaten, weil er sich seit 1955 erfolgreich dem Werben nach Blockbindung entzogen hatte. Statt dessen konnte er aufgrund der strategischen Lage seines Landes erfolgreich finanzielle Mittel von beiden Supermächten einwerben. Welche Sogwirkung speziell Nasser entwickelte, zeigte sich in den arabischen Nachbarländern, so etwa in

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