Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
Libyen, wo sich später Moamar al-Gaddhafi ausdrücklich auf das Vorbild Nasser berief. Weitere Gipfelkonferenzen folgten in Lusaka (1970), Algier (1973), Colombo (1976), Havanna (1979), Neu-Delhi (1983) und Harare (1986). Das letzte gemeinsame Treffen im Kalten Krieg wurde 1989 wieder in Belgrad durchgeführt. Von ursprünglich 61
Mitgliedern im Jahr 1961 wuchs die Bewegung auf schließlich 102 Teilnehmer. Zusätzlich wurden zwei Befreiungsorganisationen aufgenommen: die südwestafrikanische SWAPO (South West African Peoples Organization) und die arabische PLO (Palestine Liberation Organization).
Die Mitgliedschaft in der Blockfreienbewegung war für beide Supermächte von Beginn an eine Herausforderung, aber vor allem auch ein politisches Ärgernis. Dies zeigte Moskaus Verhalten gegenüber Jugoslawien ebenso wie die Politik Washingtons gegenüber den neuen afrikanischen Staaten. Blockfreiheit und der damit verbundene politisch-wirtschaftliche Pragmatismus wurden in den beiden großen Machtzentren des Kalten Krieges als unerwünschte politische Unentschiedenheit wahrgenommen. Nachhaltig bekämpft haben allerdings vor allem die USA diese Art der Neutralität, während die UdSSR die propagierte Blockfreiheit zumindest zeitweilig eher als Chance begriff, ihren Einfluß zu stärken. Dies galt auch für China. Auch einige der kleineren kommunistischen Staaten - etwa Kuba und Nordkorea - versuchten sich bis zum Ende des Kalten Krieges als Führung der Blockfreienbewegung zu etablieren. Nicht zufällig führte eine der ersten Reisen des kubanischen Revolutionsführers Ernesto «Che» Guevara 1959 nach Europa, Asien und Afrika, um dort für die Blockfreiheit zu werben.
Die kritische Haltung der USA zu Neutralität und Blockfreiheit läßt sich am Beispiel der geteilten Staaten Deutschland und Vietnam besonders gut beobachten. In Westdeutschland wurden alle Bestrebungen eines «Dritten Weges» zwischen den Blöcken, die dort vor allem in den fünfziger Jahren als Weg zur Wiedervereinigung erhebliche Popularität entwickelten, als Kapitulation vor dem Kommunismus bekämpft. Die sogenannten «Stalin-Noten», mit denen Moskau die Neutralisierung und Wiedervereinigung Deutschlands 1952 in Aussicht stellte, hatten daher, trotz aller Diskussionen um eine ernsthafte Prüfung der Angebote, wahrscheinlich niemals eine reale Chance, verwirklicht zu werden. Ähnlich verhielten sich die USA in Vietnam, nachdem sich dort 1954 die Kolonialmacht Frankreich nach der verheerenden Niederlage bei Dien Bien Phu zurückgezogen hatte. Auf der Genfer Indochina-Konferenz zwischen Mai und Juli 1954 beschlossen die großen Mächte zwar die Teilung des Landes. Einer Neutralisierung Süd-
Vietnams widersetzte sich aber insbesondere Washington. Hier akzeptierte man nur den 1954 von den USA selbst eingesetzten und dem Westen ergebenen Ngö Dinh Diem. Entsprechend stark engagierte sich die US-Regierung, um nicht nur Diem zu halten, sondern auch die in Genf beschlossenen gesamtvietnamesischen Abstimmungen zu verhindern. Auch hier wurde die Gefahr, daß sich die Bevölkerung möglicherweise zugunsten der Wiedervereinigung für die Blockfreiheit oder Neutralität entscheiden könnte, als zu groß eingeschätzt. Nur so sind die verdeckten, aber massiven Bemühungen Washingtons zu verstehen, nicht nur die Wahlen 1956 zugunsten Diems zu manipulieren, sondern auch gesamtvietnamesische Wahlen zu verhindern. Graham Greenes Roman The Quiet American setzte später dem berühmt-berüchtigten Koordinator dieser Verdeckten Operationen, Edward Lansdale, ein literarisches Denkmal.
Im indonesischen Bandung waren für die Blockfreienbewegung 1955 zehn Grundanliegen formuliert worden. Sie beinhalteten unter anderem die Forderung nach Achtung der Menschenrechte und der Ziele der Vereinten Nationen, den Verzicht auf militärische Interventionen und auf Einmischung in innere Angelegenheiten, die Anerkennung der Gleichwertigkeit aller Rassen sowie insbesondere die «Unterlassung der Anwendung von Kollektivverteidigungsabkommen im Dienst der Interessen einer der Großmächte». 33 Auf der ersten regulären Konferenz in Belgrad 1961 erweiterte man diesen Katalog noch einmal: Dekolonisierung und Steigerung des Wohlstands in der Dritten Welt sowie der Verzicht auf die Beteiligung am Wettrüsten kamen als Ziele hinzu. Während so in den sechziger Jahren vorwiegend ideologisch-politische und sicherheitspolitische Fragen im Vordergrund gestanden hatten, gehörten seit den
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